Last Action Hero [Part 1] – Limits

Aus jeder Krise ein Feuer machen

Das Unsichtbare Komitee (Der kommende Aufstand, 2007)


Schweigen oder Defätismus. Beides bedeutet in unserer Situation eine strategische Niederlage in Anbetracht der historischen Epoche, in der wir uns wiederfinden, eine Niederlage, die sich nicht aus den realen Bedingungen des Klassenantagonismus generiert, sondern aus falschen, begrenzten Grundannahmen und bequemen Haltungen. Die aufständischen Bewegungen der letzten 2 Dekaden, die seit dem Tod von Ziad Benna und Bouna Traoré in neuem nihilistischen Gewand die Grundfesten der Welt der Ordnung und der Verwertung von wirklich allem Lebendigen, bis in die DNA des Saatgutes, erschüttern, sind von uns bisher nur begrenzt in ihrer revolutionären Sprengkraft begriffen worden.

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In meinem Garten, in meinem Garten

Zusätzlich zu den üblichen tausend Bullen, die in Berlin zu Silvester auf den Straßen unterwegs sind, werden also auch dieses Jahr über 3000 zusätzliche Kräfte aus dem gesamten Bundesgebiet in die Hauptstadt geordert, zusätzliche Verbotszonen für das Abbrennen von Pyrotechnik, die diesmal “flexibel überwacht” werden sollen, um mehr Kräfte zum spontanen Verlegen zur Verfügung zu haben. Dazu das übliche Paket: “Gefährderansprache”, “Hausbesuche” bei den vermeintlichen „Delinquenten“, das ganze “Präventionsprogramm” (so konnte z.B. beobachtet werden, dass Jugendzentren in Neukölln in den letzten Jahren zu Silvester mitten in der Nacht geöffnet hatten, um “kritische Massen” an den Orten zu binden, während sonst die Jugend – und Sozialarbeit unter den Kürzungswellen des Berliner Senats ächzt (allein im Haushalt 2025 50 Millionen).

Die von den Bullen nicht zu kontrollierenden Ausschreitungen zum Jahreswechsel 22/23 sitzen der politischen Klasse noch immer im Nacken, in großen Teilen des Stadtgebiets wurden Barrikaden errichtet und zum Teil angezündet, die Bullen selbst wurden in den diversen proletarischen Quartieren zum Ziel zahlloser Attacken, Schwerpunkte waren auch sonst völlig “unauffällige” Großsiedlungen wie die Gropiusstadt im südlichen Neukölln oder die Themometersiedlung im südlichen Lichterfelde. (Zu den Geschehnissen der Nacht siehe ‘Berlin grüsst Athena’)  

Die massive Repression, die Bullen Armada zum Jahreswechsel (inklusive medialer Begleitochestrierung), muss im selben Kontext wie die vom Bundeskanzler angestoßene “Stadtbild-Debatte” verstanden und eingeordnet werden. Es handelt sich dabei mitnichten “nur” um eine rassistische Ausgrenzung im Zuge der Faschisierungstendenzen in Teilen des Staatsapparates und der Gesellschaft, sondern sie muss verstanden werden im globalen Kontext der Offensive gegen die ‘überflüssigen” Teilen des Proletariats, die für den Verwertungsprozess nicht mehr von Bedeutung sind und die sich in verzweifelten Revolten zu behaupten versuchen. In dem Maße, wie die Prekarisierung immer größere Teile des Proletariats erfasst, im Zuge der Schleifung der noch existierenden industriellen Produktionsbereiche in den westlichen Zentren selbst bekommen die instinktiven und unmittelbaren Revolten des Surplus Proletariats eine strategische Bedeutung, die Konfliktualität spielt sich nicht mehr ausschließlich “am Rande der Gesellschaft” ab, sondern strahlt in den Kern der gesellschaftlichen Zusammensetzung selbst aus.

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Generation Z [3I/ATLAS]

Der Ausgangspunkt folgender Überlegungen ist der Quantenphysik entliehen und wie folgt kurz zusammengefasst: Es gibt kleine Teilchen, die sich an mehreren Orten gleichzeitig befinden oder trotz weiter Entfernungen und bewiesener Unmöglichkeit Signale auszutauschen, miteinander agieren, wobei z.B. ihre Entfernung voneinander Lichtjahre betragen kann und sie trotzdem zeitgleich reagieren und sie somit gegen einige von Einsteins Gesetzmäßigkeiten verstoßen (z.B. die maximal denkbare Geschwindigkeit), weshalb er noch spöttisch von „spukhafter Fernwirkung“ sprach. Diese ‘Nichtlokalität’ oder ‘Verschränkung’, die Tatsache, dass diese real getrennten Teilchen (in diversen Versuchsanordnungen nachgewiesen) messbar interagieren, bzw. gleichzeitig verschiedene Koordinaten im Raum besetzen, beschäftigt die Quantenphysik seit langem wie kaum ein anderes Phänomen. Wir können uns diese Beobachtungen zunutze machen, wenn wir über die derzeitigen Fragestellungen der revolutionären Galaxie nachdenken. Fast alle bisherigen Theorien oder analytischen Beschreibungen der weltweiten Aufstände und revolutionären Bewegungen der letzten 60 Jahre haben in Fronten, Erweiterungen von Raumgewinnen, in staatlicher oder regionaler, auf jeden Fall territorialer Begrenzung gedacht. Die “linke” Dominotheorie, die z.B. benutzt wurde, um die Kämpfe in Mittelamerika Ende der 70er, Anfang der 80er zu beschreiben: nach Nicaragua fällt El Salvador, Guatemala und so weiter, machte sich die gleiche Vorstellungswelt von Machteroberung zu eigen, wie die “rechte” Dominotheorie: Erst fällt Kuba, dann… Die einen finanzierten die Schweinebucht und die Kontra in Nicaragua, die anderen sammelten Geld für “Waffen für El Salvador”. Im Grunde wiederholte sich im Niedergang des Ansturms von 68, der der erste aussichtsreiche Ansturm seit 1917 war, immer wieder die gleiche Erzählung. Der globale Süden befreit sich sukzessive und kreist die Metropolen ein, hier gilt es “im Herzen der Bestie” die revolutionäre Fackel trotz aller Begrenzungen zu tragen, in der Zuspitzung auch als militante, bewaffnete Intervention. Je nach politischer-ideologischer Präferenz waren dabei die staatskapitalistischen Staaten Verbündete, Feind des Feindes, Transitland oder logistischer Partner bis hinein in die Zusammenarbeit mit dem MfS hierzulande.

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Generation Z  [Opus 1]

Boy, don’t you worry, you’ll find yourself

Follow your heart and nothing else

And you can do this, oh, baby, if you try

All that I want for you, my son, is to be satisfied

Lynyrd Skynyrd

Ein Jahr warten, ausharren, den Atem anhalten bis die Lungen fast bersten. Ein Jahr – nur ein einziger Herzschlag im Rhythmus des ewigen Ansturms der historischen Partei. Aber all die Nächte, in denen der Schlaf nicht kommen wollte, all die grauen, sinnlosen Tage, das mürbe Tagwerk, die falschen und verlogenen Träume und Versprechen. Und diese Ungeduld, die Anspannung, die Nervosität, die keine Entladung finden. Der Zweifel, der sich bis tief in das Mark der Zuversichtlichsten gräbt. Unsere Sache verraten und verloren, für immer? All die Opfer der letzten 15 Jahre umsonst, alle Hoffnungen genarrt? Und kein theoretischer Begriff der Agonie des aufständischen Prozesses, von einer praktischen Antwort ganz zu schweigen. Nur das Grauen des Infernos der kapitalistischen Todesmaschinerie, die alles verschlingt, Wertschöpfung bis in den suizidalen Weltkrieg um die Hegemonie… Was, wenn dieser einzige Herzschlag, dieses dumpfe, kurze Pochen bis in die Schläfen, doch der letzte gewesen – nur noch verzweifelte Hungersnöte und riesige Flüchtlingskarawanen, wie sich die Bilder aus Yarmouk und Gaza gleichen – erschöpfte, ausgemergelte Gestalten, die mit ihren letzten Habseligkeiten in der Hand durch die zerbombten Häuserschluchten ziehen, und doch nur Ouvertüre für die kommenden Flüchtlingstrecks der Abermillionen, wenn die Seen einfach verdampfen, die Felder vergiftet, und das Dauerfeuer aus den schwarzen SUVs alle niedermäht, die bis zuletzt ausgeharrt haben. Über all dem die schwarzen Drohnen, überall diese scheiß Drohnen, wie Aasgeier am Himmel kreisend. Doch in den dunkelsten Stunden des Zweifels und der Verzweiflung finden Jene, denen zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte keine Zukunft, und sei sie nur so vage umrissen, vergönnt schien, zu sich selbst und ihrer Macht.

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Enjoy The Silence [Part 2]

Im Juli dieses Jahres legte die US Regierung einen sogenannten “AI Action Plan” vor, der u.a. die Regulierungen von KI Anwendungen im militärischen Einsatz durch Menschen zum Teil aufheben soll. Die in den verschiedenen Teilstreitkräften eingesetzte KI soll zusammengeführt werden und zukünftige Kriegsführungsszenarien sehen hochkomplexe Einsätze von Unmengen an Drohnen, Raketen und anderen Waffen- und Steuerungssysteme vor, die bisher nicht in einem Schlachtfeld Szenario zentral zu steuern sind und zum Teil konventionelle Waffensysteme wie Kriegsschiffe und – Flugzeuge ersetzen sollen. Des Weiteren sollen autonom agierende Drohnenflugzeuge und – Schiffe im Zuge des Replicator-Programms entwickelt werden. KI soll auch die Voraussagen für politische und militärische Entwicklungen optimieren, der Direktor der National Geospatial-Intelligence Agency geht davon aus, “dass wir zeitnah zu 100 % maschinengenerierte Informationen an die Kommandostäbe weitergeben werden”. Als vorbildlich gilt das US-Unternehmen Rhombus Power, das mit einer Wahrscheinlichkeit von über 80% den Angriff Russlands auf die Ukraine mit 4 Monaten Vorlauf vorausgesagt habe. Mittlerweile hat dieses Unternehmen Verträge mit Taiwan abgeschlossen, die auf die Möglichkeiten einer Invasion durch die VR China abzielen.

Noch gilt eine strikte Trennung von KI Anwendungen im militärischen Kontext zwischen der Anwendung im konventionellen und dem nuklearen Bereich. Allerdings betonen militärische Experten, dass es durch die zunehmende Komplexität und neue Entwicklungen wie  Hyperschall-Gleitflugkörper, die keine ballistische Flugbahn mehr haben und daher nicht verfolgt werden können, immer schwieriger werde, die gesamte Situation im Konflikt der Großmächte durch Menschen zu beurteilen, außerdem gehe man davon aus, dass das russische “Dead-Man” – System, dass die Durchführung eines nuklearen Vergeltungsschlages trotz Ausfall der militärischen Befehlskette sicherstelle, nach wie vor betrieben werde. Die USA müssten dies unbedingt bei ihren Planungen und Programmen berücksichtigen. Angesichts der sogenannten “Chancen und Risiken” einer KI gestützten Kriegsführung scheint das Prinzip Hoffnung unter den militärischen Verantwortlichen der USA zu herrschen: Ein Verzicht auf die volle Integration von KI in alle militärischen Bereiche, einschließlich der Nuklearwaffen, sei schlicht nicht möglich, da man sonst im Konflikt mit Russland und der VR China hoffnungslos ins Hintertreffen gerate, auf der anderen Seite seien die Entscheidungsprozesse der neuesten Generationen von KI von Menschen gar nicht mehr en détail nachzuvollziehen. Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) wurde daher damit beauftragt, den Algorithmus der KI Modelle besser nachzuvollziehen, da man festgestellt habe, dass diese zum Teil dazu neigen, zu “halluzinieren”. Am Ende bleibt also nur noch die Hoffnung auf ein postmodernes “Gottesurteil”: Das die KI gestützten Systeme die Schäden durch einen nuklearen Schlagabtausch für so groß einschätzen, dass ein “Sieg im Atomkrieg” nicht möglich sei und deshalb den nuklearen Flächenbrand nicht auf die Tagesordnung setzen. 

Genauso wie der militärische Konflikt heute ein asymmetrischer ist, ist auch der Klassenkonflikt heute asymmetrischer Natur.

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Enjoy The Silence [Part 1]

Im Jahr 2024 sollte das Modell OpenAI o1 von ChatGPT während eines Sicherheitstests in einen Server einbrechen. Als dieser Server nicht hochfuhr und die von Menschen gestellte Aufgabe für die KI nicht umsetzbar war, brach o1 in das Testsystem selbst ein, startete den Server mit modifizierten Anweisungen neu und umging einfach die eigentlichen Testvorgaben komplett.

Künstliche Intelligenz wird von Menschen programmiert, lernt aus deren Verhalten, imitiert dieses, zieht neue Schlüsse und entwickelt daraus eigene Strategien. Zeit, den Spieß umzudrehen. 
Der Zusammenprall des Klassenkonflikts, der die Welt seit 2010 auf neue erschüttert, dessen Schockwellen seitdem in immer neuen neuen Revolten und Aufständen um den Planeten rasen, wird vorwiegend in 2 Lesarten wiedergegeben, die eine nährt die Hoffnungen auf einen grundsätzlichen Bruch mit der herrschenden Ordnung, die zweite generiert aus diesem Widerspruch immer neue Formen der reformistischen Neuordnung, die Aktivisten bis in die höchsten Regierungsämter spült, ohne in der Lage zu sein, ein grundsätzliches langfristiges (Befriedungs) Programm anbieten zu können, weil der grundsätzliche Widerspruch sich jenseits aller identitären Zuschreibungen abspielt und angesichts der Verwertungskrise des Kapitals kein Neokeynesianismus überhaupt vorstellbar erscheint.

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The Long Goodbye – Von Städten und Dörfern

Nichts ist widerlicher, als wenn das Pech in Strähnen kommt

Der lange Abschied, Raymond Chandler 

Nun also ein Jahr ohne Dich. Einsam bist Du gestorben, man sagt, wir alle sterben alleine, aber ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Wahrscheinlich hat es einen Trost, wenn jemand unsere Hand hält, wenn wir diese unbekannte Reiseroute in Angriff nehmen. Vielleicht spielt es auch nicht wirklich eine Rolle bei all dem Gewitter an Botenstoffen, die unser Gehirn fluten. Ich hätte es Dir auf jeden Fall gewünscht, dass jemand bei Dir gewesen wäre, auch wenn ich nicht weiß, ob das Deine Wahl gewesen wäre. Ich habe nochmal in unserem Chat geschaut, unser letzter Austausch handelte von der Veranstaltung zur Geschichte des bewaffneten Kampfes in Kreuzberg, bei der Dellwo auch war und Dir wohl hinterher davon erzählt hat. Dann habe ich wochenlang nichts von Dir gehört, was ungewöhnlich war, dann mein letzter Anruf, der Dich nicht erreicht hat. Worüber hätten wir geredet? Keine Ahnung, unsere Kommunikation war immer sehr sprunghaft, das hatte wohl mit uns beiden zu tun. Nun müssen meine einsam zu Papier gebrachten Worte unseren Austausch ersetzen, und das ist nicht annähernd das Gleiche. Häufig ist alleine die Möglichkeit des Austausches das Entscheidende und gar nicht die gewechselten Wörter, die Reflexion, die Spiegelung des Gedachten durch einen Freund, einen Genossen, allein die Vorstellung davon, verleiht unseren Worten erst jene Schärfe, der jegliche revolutionäre Syntax bedarf.

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The Long Goodbye – Umrisse

„Also muss man dahin gehen, wohin sie einem nicht folgen können.“ 

Raymond Chandler


Mein lieber Achim, nun also, wie angekündigt, mein zweiter Brief an Dich – ein Jahr nachdem Du uns verlassen hast. Es war ein schlechtes Jahr, denn nicht nur der Herbst war bitter, wie ich Dir schon im ersten Brief geschrieben habe, auch der Winter war lang und grau, und selbst das migrantische Surplus Proletariat ließ zu Silvester in Berlin nur die Sektkorken knallen. Der Frühling war ein gebrochenes Versprechen auf bessere Zeiten und nun, da sich der verregnete Sommer dem Ende zuneigt, haben wir ein ganzes Jahr verloren, ohne dass wir einen Schritt weiter wären. Ich hatte gehofft, Dir heute ein paar aufmunternde Zeilen schreiben zu können, denn für den 10.September hatten sie in Frankreich für ein “Alles blockieren” getrommelt, und es gab einen riesigen Hype, nicht nur auf den einschlägigen Seiten in Frankreich, sogar in der intellektuellen Grundversorgung der anspruchslosen deutschen Denker und Dichter, dem Deutschlandfunk, war das ganze Thema. Aber da sich dem diffusen Aufruf in den sozialen Netzwerken schnell die üblichen Verdächtigen angeschlossen hatten, von “Les Soulèvements de la Terre” bis hin zu “La France insoumise” und in den Versammlungen schnell die Milieus das große Wort führten, hatte ich irgendwie schon befürchtet, dass die ganze Nummer eine Sackgasse sein würde. Und so kam es dann auch. Einige hübsch anzuschauende Materialblockaden am frühen Morgen auf einigen wichtigen Straßen, danach folgten dann aber nur die gleichen Aufmärsche, wie sie die Gewerkschaften seit Jahrzehnten veranstalten. Ein bißchen Tränengasfolklore, jede Menge Prügel durch die Bullen und natürlich kein “unreiner Aufstand”, sondern allerorten “Siamo Tutti Antifascisti” und viel Ohnmacht und Perspektivlosigkeit. Ob es nun eine viertel oder ein halbe Million auf den Straßen waren, spielt da keine Rolle, der “Sieg” der “Volksfront” gegen Le Pen bei den Wahlen, die Mobilisierung gegen das “große Übel”, hat den Diskurs dort auf das Niveau runter gebrochen, wo wir in Deutschland mit “Wir sind mehr” schon länger sind. Also keine Gilets Jaunes 2.0 wie es viele schon herbeischrieben. Keine Bullen, die durch die Straßen gejagt wurden, keine geplünderten Luxusläden, keine maßlose Wut, keine Raserei, kein Excess. Und seitdem Schweigen.

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The Long Goodbye [1]

Vielleicht lassen Sie meine Gedanken doch besser meine eigene Sache sein, Mr. Potter. Sie sind nicht sonderlich wichtig, natürlich nicht, aber sie sind alles, was ich habe. 

Der lange Abschied, Raymond Chandler 

Es ist nun fast ein Jahr her, mein lieber Achim, dass Du uns zurückgelassen hast. Zurückgelassen. Denn all unsere Trauer gilt doch immer auch und vielleicht vor allem uns selber, dem was wir verloren haben, jenem Teil von uns, den wir nicht mehr unser eigen nennen. Ich habe Dir schon direkt nach deinem Tod geschrieben, wie unersetzlich Du bist, wie groß und schmerzhaft die Lücke ist, die deine Abwesenheit in unser Leben webt. Nun also dachte ich, dass ich Dir schreibe und berichte was passiert ist in diesem Jahr, all die Niederlagen und Irrwege, das wenige Licht im Kerker des “Kapitalismus im Zeitalter der Katastrophe” wie Du ihn so treffend benannt hast. Und da einem immer so viel einfällt, nachdem man einen Brief geschrieben und versandt hat, dachte ich, ich schreibe Dir in mehreren Akten. Nicht, dass deshalb alles nur annähernd gesagt wäre, aber immerhin hoffe ich so zumindest ein paar Gedanken zu Ende zu bringen.

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Bruder Tadej

Monatelange Schinderei, Höhentrainingslager, jede Kalorie, jeder Atemzug, jeder Herzschlag gezählt, vermessen, kategorisiert. Selbst der Schlaf von Maschinen überwacht. Damit am Ende alles so leicht daher kommt, von surrealer Brillanz jener Ritt auf die Gipfel der Pyrenäen ohne jemals wirklich aus dem Sattel zu steigen. Alles verblasst um ihn herum, seine ärgsten Konkurrenten nur Staffage einer One Man Show, kurze Antritte, die er mit aufreizender Lässigkeit kontert. Und doch sitzt da am Ende auf den Gipfeln im kalten Nebel ein nachdenklicher Mann in dicker Jacke und mit Wollmütze auf dem Kopf der darauf wartet, das ihn irgendjemand eine wirkliche Frage stellt, etwas sagt, was ihn berührt oder wenigstens irritiert. Aber nur immer die gleichen voraussehbaren Fragen, die er routiniert beantwortet. Und keine Spur von Glück in seinem Gesicht, kein Leuchten in den Augen angesichts all der Erfolge, des uneinholbaren Vorsprungs. Später wird er sagen, er habe all die Wochen darauf gewartet, dass sein ärgster Widersacher endlich ernst mache, aber der habe immer nur an seinem Hinterrad geklebt. Da wird er das erste Mal für einen Sekundenbruchteil so etwas wie wütend.

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