Interview mit der Nord West Passage

Ende Mai 2025 führte Sebastian Lotzer ein Interview mit der Nordwest Passage zu der sechsteiligen Serie Galaxien des Antagonismus. Eine gute Stunde Gespräch über die Geschichte des Bewaffneten Kampfes in der BRD, aber auch in Italien, den Text von Burkhard Garweg zur Genese der RAF, den aktuellen kapitalistischen Strategien und Krisen, der allgegenwärtigen Tendenz zum Krieg, aber auch zum Widerstand der Klasse und der Frage wie ein Antagonismus auf der Höhe der Zeit aussehen könnte.

Galaxien des Antagonismus [mit PDF Bonus]

Der folgende Text ist eine – überarbeitete – Zusammenfassung der Trilogie, die in der Zeit vom 8. März bis zum 20. April 2025 in sechs Folgen veröffentlicht wurde und in Teilen eine Reaktion auf den ausführlichen Text von Burkhard Garweg, der im Neuen Deutschland erschien, als auch in Teilen eine fragmentarische Skizze der gegenwärtigen Situation sein soll. Wo stehen, oder vielleicht auch schwanken wir, unter welchen Bedingungen findet und organisiert sich der neue Antagonismus? Der besseren Übersichtlichkeit halber wurden alle Fußnoten entfernt, dafür findet sich am Ende des Textes eine ausführliche Liste von weiterführender Literatur.  

Part 1: Wurmlöcher des Antagonismus (Polykrise und Hybris)

Gewiss, die Fragmentierung der Welt führt zu Desorientierung und wirft alle überkommenen Gewissheiten über den Haufen, stellt all unsere politischen und existentiellen Kategorien infrage und entzieht der revolutionären Tradition selbst den Boden: Sie ist eine Herausforderung.

Jetzt – Das Unsichtbare Komitee

THIS IS NOT A LOVESONG

Trump geht all in, die europäischen Militärhaushalte werden explodieren, der neue Liberalismus, eben noch von Döpfners Schreibstube enthusiastisch abgefeiert, ruft nun besorgte Stimmen auf den Plan, die verzweifelt fragen, wo Europa mit seinen Abermilliarden Euros neue Waffensysteme kaufen soll, da den europäischen Generalstäben bewusst wird, dass praktisch alle modernen Waffensysteme ständige Updates benötigen, die im Zweifelsfall die US amerikanischen Hersteller verweigern könnten, wenn die Divergenzen eine bestimmte Fallhöhe erreichen sollten. Die Franzosen setzen seit Jahrzehnten auf eigenständige Waffenentwicklung – und Produktion, was eben noch als postimperialer Größenwahn einer ehemaligen Weltmacht erschien, die spätestens 39 in die reale Bedeutunglosigkeit gefallen war, ist nun der neue Sound der westeuropäischen Aufrüstung. Die Tendenz zum Krieg hat schon vor Jahren die Agenda des grünen Kapitalismus abgelöst, nur eine blasierte kleinbürgerliche deutsche Blase, von der grünen Partei bis in die sogenannten postautonomen Vorfeldorganisationen hat dies immer noch nicht realisiert. Und nein, die Zeitenwende ist nicht der Ausbruch des Ukraine Krieges, sondern die Perspektivlosigkeit des Kapitalismus in seiner Verwertungskrise, die immer neue Blasen produziert, die alle, latent instabil, jederzeit die gesamte soziale Zusammensetzung in den Metropolen innerhalb von Wochen, vielleicht sogar Tagen, zusammenbrechen lassen können, 2008 war im Vergleich dazu nicht mal eine Vorahnung eines Vorbebens, der Absturz an den Tech Märkten am Tage des Triumphes von DeepSeek kommt einer Simulation der kommenden apokalyptischen Reiter der Märkte wohl eher näher, nicht in den Dimensionen, aber in der Geschwindigkeit und dem unvermittelten Aufprall. Im Grunde spielt es keine Rolle ob Trump die Strafzölle für kanadische oder mexikanische Importe beibehält, reduziert, oder wieder ganz zurücknimmt – ob und wie lange er seinen Hofnarren Musk noch an seiner Tafel Platz nehmen lässt, der es sich in Verkennung der wirklichen Machtverhältnisse schon innerhalb von wenigen Wochen mit der Hälfte der Regierungsmitglieder verscherzt hat (in den Führungsetagen von BlackRock & Co lacht man sich eh scheckig über die neuen libertären Pausenclowns Musk, Milei und Co mit ihren Marsbesiedlungsplänen und Kettensägenmassakern, billiger Unterhaltungstrash der von den wirklichen strategischen Entscheidungen der wirklichen Big Player ablenkt, die die eigentliche Politik, auch von Trump, diktieren und diktieren werden) – die wirklich interessanten Fragen sind die Positionierungen im Kräftemessen zwischen China und den USA, in diesem Kontext kommt auch Russland ins Spiel, und das ist auch eine der möglichen Optionen der USA: Russland wieder in den Kreis der Großmächte aufzunehmen und so den Riss zwischen China und Russland zu verbreitern, eine strategische Triangel ist immer ein schwierig zu bespielendes Feld, politisch, wirtschaftlich und militärisch. 

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Von Lumpen und schwarzen Löchern [Part ll]

“T. E. Lawrence hat dankenswerterweise die Prinzipien der Guerilla ausgehend von seiner Kampferfahrung an der Seite der Araber gegen die Türken im Jahre 1916 entwickelt. Was sagt Lawrence? Dass die Schlacht nicht mehr der einzige Prozeß des Krieges ist, ebenso wie die Zerstörung des feindlichen Machtzentrums nicht mehr sein Hauptziel ist, vor allem, wenn der Feind kein Gesicht hat wie im Fall der  unpersönlichen Macht, welche die kybernetischen Dispositive des Empires materialisieren: ‘Die meisten Kriege sind Kontaktkriege [wars of contact], die beiden Streitkräfte bemühen sich, einander nahe zu bleiben, um jede taktische Überraschung zu vermeiden. Der arabische Krieg sollte ein Krieg auf Distanz [war of detachment] sein: den Feind durch die stillschweigende Drohung einer riesigen unbekannten Wüste in Schranken halten und sich nur im Moment des Angriffs zeigen.’ Deleuze präzisiert – selbst wenn er die Guerilla, die das Problem der Individualität stellt, und den Krieg, der das Problem der kollektiven Organisation stellt, einander zu rigide gegenüberstellt –, daß es darum geht, den Raum so weit wie möglich zu öffnen und zu prophezeien oder noch besser, ‘Reales zu fabrizieren und nicht darauf zu reagieren’. Die unsichtbare Revolte, die diffuse Guerilla sanktionieren nicht ein Unrecht, sie errichten eine mögliche Welt.”

Kybernetik und Revolte – Tiqqun

Die große Frage unserer Zeit ist nicht mehr, wann die Aufstände kommen, sondern wie sie orchestriert werden. Die Anlässe sind manchmal banal, eine geringfügige Erhöhung der Fahrpreise (wie in Chile 2019) oder von tiefster Dramatik wie die Revolte gegen die Hamas dieser Tage im Gaza Streifen nach eineinhalb Jahren Bomben, Hunger, einem allgegenwärtigen Tod. Allen Aufständen aber eingeschrieben ist die unvermeidliche Niederlage, weil es keinen revolutionären Horizont gibt, entweder enden sie indem sie sich selbst erschöpfen, sie werden niedergeschlagen, es gibt ein neues Regime (Tunesien, Ägypten 2011/2012) oder sie münden in einem Bürgerkrieg, der in seinem Verlauf jegliche revolutionäre Regung schleift und den am Ende dann die Falschen gewinnen (wie der Coup der Haiʾat Tahrir asch-Scham in Syrien). 

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Von Lumpen und schwarzen Löchern [Part 1]

Trotzdem war der (für Brixton recht gemischten Menge) von mehreren hundert Personen gestern Abend recht feierlich zumute, als sich die Autos in beiden Fahrtrichtungen auf der Brixton Water Lane stauten. Sie wissen nur zu gut, dass sie sonst nicht zu den Gewinnern zählen. Die Gelegenheit, einen Fischzug mit Elektroartikeln im Wert von mehreren hunderttausend Pfund zu machen – und das noch dazu direkt vor der Nase der hilflosen Polizei, von der sie sonst regelmäßig schikaniert, geschlagen oder getötet werden, – beschert allen eine großartige Nacht. Die 14-jährigen Mädchen, die auf dem Weg, sich den 60 Zoll-Plasma-Bildschirm ihrer Träume zu holen, über den Parkplatz der Curry-Filiale eilten und mich dabei anrempelten, waren höflich genug, mir ‘Entschuldigung’ zuzurufen – und sie meinten es aufrichtig. Gestern Abend war jeder auf der Straße bester Stimmung. Die Spielverderber aus den Massenmedien waren da heute morgen allerdings anderer Meinung.

Wenn die Toten erwachen – Die Riots in England 2011 

DIE ANGST UND DER MUT ZU KÄMPFEN

Nanni Balestrini hat in seiner Trilogie “Die große Revolte” eindrucksvoll an das Schicksal der zehntausenden von subproletarischen Jugendlichen erinnert, die nichts hatten und aus dem Nichts kamen um sich umso vorbehaltloser der Revolte von 1977 anzuschließen. Er erinnerte als einer der wenigen daran, was aus ihnen geworden ist, nachdem die Bewegung zusammengebrochen war unter der Last von politischer Begrenzung, Spaltung und Repression, die Abertausenden, die an der Nadel landeten oder in der Perspektivlosigkeit von Kriminalität, Knast, Kriminalität, Knast…Jene, die sich selbst völlig aufgaben und in der Klapse, auf dem Straßenstrich oder am Strick endeten. Er erinnert in dem Band “Die Unsichtbaren” in einer Art und Weise an die Leere des Blicks der Eingekerkerten, denen nur das ferne Asphaltband der Autobahn als Horizont dort draußen hinter den Mauern geblieben ist, dass es einem beim Lesen vor Schmerz ganz übel wird. Unwillkürlich schleicht der Panther von Rilke durch das Bild: 

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe 
so müd geworden, daß er nichts mehr hält. 
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 
und hinter tausend Stäben keine Welt

Der Tahrir Platz wurde 2011 zum Symbol des sogenannten “arabischen Frühling”, jene aufständische Bewegung, die sich durch alle Länder des Nahen Ostens zog und auch weite Teile Afrikas erfasste und ohne die es die “Bewegung der Plätze” in Südeuropa ebenso wie “Occupy Wall Street” nie gegeben hätte. Doch die Besetzung des Tahrir Platzes hätte ohne die Aufopferung der Ultras der großen Kairoer Fussballclubs nicht so lange durchgehalten, an vorderster Front verteidigten sie die Barrikaden, die die Platzbesetzung beschützten. Das (neue) Militärregime nahm wenig später beim inszenierten Massaker im Stadion von Port Said grausame Rache, dutzende Menschen starben, die meisten von ihnen Fans des al-Ahly Clubs aus Kairo, viele waren noch nicht einmal 18 Jahre alt geworden. 

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Exotische Materie – Vom sozialen zum politischen Antagonismus [Part II]

“In den ersten Monaten des Jahres 1978 und nach dem tragischen Ende von Aldo Moro ist ein ständiges Anwachsen der bewaffneten Gruppen und bewaffneten Aktionen zu verzeichnen. In die größten Formationen strömen hunderte von Militanten aus der autonomia diffusa und ganze Sektionen von Fabrikavantgarden, exemplarisch in dieser Beziehung ist die Geschichte der Brigade Walter Alasia in Mailand, deren Mitglieder zu großen Teil Jugendarbeiter waren.”… “In der ‘Resolution der strategischen Leitung’ vom April 1975 hatten die BR endgültig die Form des Selbstinterviews aufgegeben um sich mit einem offiziellen Dokument darzustellen, das danach strebte eine Art Generalprogramm in der Tradition der historischen Parteien der Dritten internationale zu sein. Schon diese Entscheidung, scheinbar formal, war bezeichnend für die Setzung der bewaffneten Organisation als hegemoniales Element in der Komplexität des aktuellen revolutionären Prozesses. Also nicht mehr eine bewaffnete illegale Gruppe als Bezugspunkt der radikalsten Erfahrung in der Klassenkonfrontation, sondern eine wirkliche Organisation, die, indem sie den ‘bewaffneten Kampf’ als einzige strategische Linie der Klassenkonfrontation, als ‘die Form’ der Revolution setzte, dazu tendierte, in ihrem Innern alle von der Komplexität der realen Bewegung produzierten Erfahrungen umzuinterpretieren. Eine strategische Entscheidung dieser Art konnte nichts anderes als eine drastische Reduktion der Komplexität und des Reichtums der organisatorischen Erfahrung bewirken und damit eine fortschreitende Gegenposition zu anderen Kampferfahrung provozieren, nicht nur in den Resten der außerparlamentarischen Gruppen, sondern auch in der diffusen und organisierten Autonomia.”

Die goldene Horde – Primo Moroni und Nanni Balestrini

Einer der Treppenwitze der Geschichte des militanten Antagonismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Westeuropa ist, dass die Rote Armee Fraktion, die sich zu jeder Phase ihres Bestehens aus nicht (wesentlich) mehr als ein, zwei Dutzend Genossen und Genossinnen zusammensetzte, erst Mitte der 90er in jene existentielle Krise geriet, die schließlich 1998 zu ihrer Selbstauflösung führte, während die Roten Brigaden (BR), die zu ihren Hochzeiten tausende Militante und Unterstützer zählten, schon 1980 die ersten Spaltungen erlebten, als sich die Mailänder Kolonne Walter Alasia von den BR lossagte, um zu ihren “operaistischen Wurzeln” zurückzukehren. Jene Überreste der BR (die Ende der 70er, Anfang der 80er aberhunderte von inhaftierten Militanten und ‘Abtrünnige’ und ‘Abschwörer’ zu verkraften hatten), die als BR-PCC (Kämpfende Kommunistische Partei) zusammen mit der RAF und der Action Directe (AD) die “westeuropäische Front” aufbauen wollten, hatte zu diesem Zeitpunkt Anfang der 80er schon praktisch jeglichen Rückhalt in den Fabriken des italienischen Nordens verloren und auch ihr Rückhalt in den Überresten “der Bewegung”, die an ihrem Höhepunkt über 100.000 Militante mobilisieren konnte, und die ebenso von der Repressionswelle gebeutelt war, war nur noch marginal. Folgerichtig erklärt die “historische Führung” der BR 1987 den bewaffneten Kampf für beendet, auch wenn verschiedenste Splittergruppen unter wechselnden Namen weiterexistieren und bis Anfang des 21. Jahrhunderts Aktionen durchführten. 

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Exotische Materie – Vom sozialen zum politischen Antagonismus [Part I]

“Dabei ist davon auszugehen, dass die transnationalen Konzerne in Konkurrenz zueinander stehen, aber es eben auch Überschneidungen ihrer Strategien gibt, insofern sie kein Interesse an Staaten haben, die ihnen den Zugang zu ihren Märkten erschweren oder gar verwehren.”

Achim Szepanski: Die Ekstase der Spekulation  

Friss oder stirb (selbst)

Nur kurze Zeit nachdem Trump die neuen Strafzölle für Importe verkündet hatte, deren Effekte für die US Wirtschaft den New Deal in den Schatten in den Schatten stellen sollen, brach an den US Börsen die Hölle aus. Beim S&P 500 Index, der die 500 wichtigsten börsennotierten US Unternehmen zusammenfasst, brachen in der Nacht zu Freitag die Kurse auf breiter Front ein und es kam zu Verlusten in Höhe von 2,8 Billionen Dollar. Die berühmten 1% traf es besonders hart, die 500 reichsten Menschen der Welt verloren an einem einzigen Tag über 200 Milliarden Dollar. Ironischerweise gehörten die Tech-Milliardäre Zuckerberg, Bezos und Musk zu den ganz großen Verlierern, allein Zuckerberg, der sich ebenso wie die anderen “jungen Wilden” zur Amtseinführung von Trump eingefunden hatte, verlor an seinem persönlichen “schwarzen Freitag” an die 18 Milliarden Dollar an Vermögenswerten. Die gesamte US Technologiebranche, die eigentlich der Motor zur Bewältigung der Kapitalverwertungskrise sein sollte und deren Kurse in den letzten Jahren durch die Erwartungen an die “KI-Revolution” unglaublich gehypt worden waren, hatte schon jüngst den Einbruch der Kurse durch die Präsentation des chinesischen Mosquito DeepSeek wegstecken müssen. Daniel Ives, Managing Director und Senior Equity Research Analyst für den Technologiesektor bei Wedbush Securities, einer der gefragtesten strategischen Analystengrößen sprach angesichts von Trumps Ankündigungen von Strafzöllen von einem “drohenden ökonomischen Armageddon”. Auch in Europa kam es als Reaktion auf den von Trump erklärten “Handelskrieg” (sowie der Reaktion der chinesischen Regierung, mit gleicher Münze heimzuzahlen) zu massiven Kurseinbrüchen an den wichtigsten Börsenplätzen. Der Dax gab um die 5% nach, auf gleicher Höhe bewegten sich die Kurseinbrüche des Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50. In der Wochenbilanz gaben die Dax Werte um 8% nach, der größte Absturz seit dem Beginn des Ukraine-Krieges. 

Wie schon in der Frage des Ukraine-Krieges geht Trump erneut All in. Und erneut verbindet er seine Drohungen mit der Aufforderung, sich mit ihm an den Verhandlungstisch zu setzen, um neue Modalitäten mit ihm auszuhandeln (Die Strafzölle für mexikanische und kanadische Produkte hatte er wieder “ausgesetzt”, nachdem ihm die Regierungen der beiden Länder in den Fragen der “Grenzsicherung” und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit entgegen gekommen waren.). Doch diesmal könnte er sich verspekuliert haben. Nicht nur, dass ihm die treue Gefolgschaft der Technologiebranche entfolgen könnte, auch die Big Player der weltweit agierenden Investmentfonds von BlackRock und Co werden eine dauerhafte Vernichtung ihrer Vermögenswerte nicht tatenlos hinnehmen und Trump zu einer Kurskorrektur zwingen, bzw. verstärkt in den westeuropäischen Markt investieren, auf dem sie stabilere und berechenbarere Rahmenbedingungen vorfinden. Wie schon in “Wurmlöcher des Antagonismus” ausgeführt, wird Trumps Strategie die geopolitische, wirtschaftliche und militärische Ordnung grundlegend umgestalten, insofern vollzieht der neue Kurs der US Regierung nur die überfällige Korrektur, die aus der Verwertungskrise und dem Konflikt um die Hegemonie mit China folgt, ob diese Korrekturmaßnahmen allerdings von Erfolg gekrönt sein werden, oder die Figuren auf dem Schachbrett ganz anders und entgegen der Vorstellungen von Trump neu aufgestellt werden, steht auf einem anderen Blatt. Trump wird also entweder seine Anpassungsfähigkeit an die Gesetze des Marktes auch in der Rolle des politischen Leaders beweisen müssen (was ihm in seiner ersten Amtsperiode mit wesentlich bescheideneren Ambitionen gelungen ist) oder er wird nur eine Randnotiz der Geschichte bleiben, gezügelt und gekränkt kastriert von den Gesetzen des Marktes. So oder so, die Tendenz zum Krieg, der Übergang vom „permanenten Ausnahmezustand” zum “permanenten (latenten) Kriegszustand” ist in die Gesetzmäßigkeiten der Verwertungskrise des Kapitals eingeschrieben und nicht das Ergebnis der Boshaftigkeit “alter, weißer Männer”. Jegliche gesellschaftliche antagonistische Option sollte sich auf das dringlichste von solchen moralisierenden Weltbildern verabschieden und sich auf der Grundlage einer materialistischen Analyse konstituieren.

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Wurmlöcher des Antagonismus (Part II – Subjektivismus und Klasse) 

Sommer 2023, die Unruhen, die begannen, nachdem ein Bulle den 17jährigen Nahel Merzouk am hellichten Tage mit Schüssen aus seiner Dienstwaffe in einem Vorort von Paris exekutiert hatte, enden wie auf ein geheimes Zeichen hin genauso plötzlich, wie sie landesweit aufgeflammt waren. Der französische Arbeitgeberverband bilanziert Sachschäden in Milliardenhöhe, dutzende Polizeiwachen sind in Brand gesetzt worden, hunderte Schusswaffen aus Waffengeschäften, aber auch aus Beständen der Polizei, haben im Zuge der Unruhen die Besitzer gewechselt. Nach den Gründen für das Ende der Unruhen befragt, äußern einige Protagonisten des Geschehens gleichlautend “weil es nichts mehr zu plündern gab”. Was auf den ersten Blick als flapsige Bemerkung daher kommen mag, ist in Wirklichkeit die brillante Analyse der Partei, die von ihrem historischen Entstehen noch keine Vorstellung hat. 

Der Sommer 2023 markiert den Höhe – und Endpunkt der weltweiten Revolten, Aufstände und unvollendeten Revolutionen, deren Flammen sich in den letzten 15 Jahren durch den Globus gefressen haben, entfacht in den Slums und ländlichen Nirwanas des Maghreb. Sich jeglicher Repräsentanz verweigernd, in der Programmatik schlicht und einfach auf den Umsturz “des Regimes” (gleich welcher Spielart) abgestellt, sich selber sammelnd um zentrale Begriffe wie Würde und Freiheit, rasend vor Wut (die Klasse, die sich ihrer selbst bewusst, aber keine Imagination ihrer Überwindung hat), wüten sich die Unruhen auch durch die Jahre des weltweiten Corona Ausnahmezustandes (der intuitive Begriff der Klasse davon, dass es sich um einen Angriff auf sie selbst handelt, in keiner Sekunde dem Gerede von der Fürsorge des Staates glaubend – was sie endgültig von jeglicher Verbundenheit mit der Linken befreit), nehmen in jener Zeit sogar an Fahrt auf, bringen das totalitäre Zero Covid Konzept der staatskapitalistischen chinesischen Führung nach über 2 Jahren Terror innerhalb von 48 Stunden durch sich explosiv ausbreitende Unruhen zu Fall, ein letztes Mal als historische Reminiszenz stürmen Hunderttausende im Juli 2022 den ”Winterpalais” von Colombo. 

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Wurmlöcher des Antagonismus (Part I – Polykrise und Hybris)

Trump geht all in, die europäischen Militärhaushalte werden explodieren, der neue Liberalismus, eben noch von Döpfners Schreibstube enthusiastisch abgefeiert, ruft nun besorgte Stimmen auf den Plan, die verzweifelt fragen, wo Europa mit seinen Abermilliarden Euros neue Waffensysteme kaufen soll, da den europäischen Generalstäben bewusst wird, dass praktisch alle modernen Waffensysteme ständige Updates benötigen, die im Zweifelsfall die US amerikanischen Hersteller verweigern könnten, wenn die Divergenzen eine bestimmte Fallhöhe erreichen sollten. Die Franzosen setzen seit Jahrzehnten auf eigenständige Waffenentwicklung – und Produktion, was eben noch als postimperialer Größenwahn einer ehemaligen Weltmacht erschien, die spätestens 39 in die reale Bedeutunglosigkeit gefallen war, ist nun der neue Sound der westeuropäischen Aufrüstung. Die Tendenz zum Krieg hat schon vor Jahren die Agenda des grünen Kapitalismus abgelöst, nur eine blasierte kleinbürgerliche deutsche Blase, von der grünen Partei bis in die sogenannten postautonomen Vorfeldorganisationen hat dies immer noch nicht realisiert. Und nein, die Zeitenwende ist nicht der Ausbruch des Ukraine Krieges, sondern die Perspektivlosigkeit des Kapitalismus in seiner Verwertungskrise, die immer neue Blasen produziert, die alle, latent instabil, jederzeit die gesamte soziale Zusammensetzung in den Metropolen innerhalb von Wochen, vielleicht sogar Tagen, zusammenbrechen lassen können, 2008 war im Vergleich dazu nicht mal eine Vorahnung eines Vorbebens, der Absturz an den Tech Märkten am Tage des Triumphes von DeepSeek kommt einer Simulation der kommenden apokalyptischen Reiter der Märkte wohl eher näher, nicht in den Dimensionen, aber in der Geschwindigkeit und dem unvermittelten Aufprall. Im Grunde spielt es keine Rolle ob Trump die Strafzölle für kanadische oder mexikanische Importe beibehält, reduziert, oder wieder ganz zurücknimmt – ob und wie lange er seinen Hofnarren Musk noch an seiner Tafel Platz nehmen lässt, der es sich in Verkennung der wirklichen Machtverhältnisse schon innerhalb von wenigen Wochen mit der Hälfte der Regierungsmitglieder verscherzt hat (in den Führungsetagen von BlackRock & Co lacht man sich eh scheckig über die neuen libertären Pausenclowns Musk, Milei und Co mit ihren Marsbesiedlungsplänen und Kettensägenmassakern, billiger Unterhaltungstrash der von den wirklichen strategischen Entscheidungen der wirklichen Big Player ablenkt, die die eigentliche Politik, auch von Trump, diktieren und diktieren werden) – die wirklich interessanten Fragen sind die Positionierungen im Kräftemessen zwischen China und den USA, in diesem Kontext kommt auch Russland ins Spiel, und das ist auch eine der möglichen Optionen der USA: Russland wieder in den Kreis der Großmächte aufzunehmen und so den Riss zwischen China und Russland zu verbreitern, eine strategische Triangel ist immer ein schwierig zu bespielendes Feld, politisch, wirtschaftlich und militärisch.  „Wurmlöcher des Antagonismus (Part I – Polykrise und Hybris)“ weiterlesen

Freiheit und Glückauf!

Wir, Brüder der Vietnamesen, wir, Schwestern der Indianer, wir, Töchter Kambodschas, wir, Söhne Annams. Wir, mit der Wut im Bauch. Wir, mit dem Hass im Kopf, wir, mit der Liebe zueinander. Wir, die Roten Ratten, die Pinscher, die Ungeheuer, bezahlt aus dem Osten, die Rauschgiftsüchtigen, die Monomanen, wir, die Psychopathen, Terroristen, raubenden, plündernden und brandschatzenden Anarchosyndikalisten. Wir, die jeden Schlag am eigenen Leiber erfahren, der in Huế oder Kent-State ausgeteilt wird….FÜR ALLES REAKTIONÄRE GILT DASS ES NICHT FÄLLT, WENN MAN ES NICHT NIEDERSCHLÄGT! Da sind Wir! 

Peter-Paul Zahl – Die Glücklichen 

An dem gleichen Tag, an dem der Aufruf für eine Demonstration Ende Februar 2025 in Solidarität mit Daniela Klette veröffentlicht wird, macht der Spiegel mit der Schlagzeile auf: “Daniela Klette soll im Untergrund Kontakt zu Christian Klar gehabt haben”. Alles, was dann folgt, ist das Wiederkäuen der Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft Verden in der Anklageschrift für den Prozess gegen Daniela, dass sich dies “lebensnah” aus der Tatsache ergeben würde, dass Christian Klar eine Zeit lang “in unmittelbarer Nähe” zu Danielas Wohnung am Moritzplatz gewohnt habe. Wobei “die unmittelbare Nähe” nach den scharfsinnigen Schlußfolgerungen der Staatsanwaltschaft Verden 1,5 km beträgt. Halb Kreuzberg ein Terrornest! Das wusste BILD schon in den 80er. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, aber das ist wirklich das Niveau, auf dem sich die Berichterstattung der bürgerlichen Medien zu dem Ganzen bewegt. Nicht nur der Staatschutzapparat lässt den permanenten Ausnahmezustand des “Krieges der 6 gegen 60 Millionen” der 70er und 80er wiederaufleben, wenn er SEK Kommandos mit MP im Anschlag Ausflugsdampfer entern lässt, auch die Medien überschlagen sich seit der Festnahme von Daniela Klette vor einem knappen Jahr mit ebenso dumpfer wie oberflächlicher Berichterstattung, die sich nicht einmal bemüht zu übertünchen dass es sich im Kern um billigste Propaganda handelt. Man wartet nur auf den ersten Aufruf, sich des Abends auf den Balkonen zu versammeln, um unserer Demokratie und ihren Beschützer, den Helden der Polizei, lautstark Beifall zu zollen. 7

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Freiheit und Glück den alten Weggefährten

Laut Medienberichten vom 7. Januar 2025 hat die BAW nun Anklage gegen Peter Krauth und Thomas Walter wegen des gescheiterten Anschlags auf den Neubau eines Abschiebeknastes im Jahr 1995 erhoben. Der nächste Versuch, die beiden Genossen wegen der Aktion des K.O.M.IT.E.E 30 Jahre später doch noch zu belangen, obwohl das eigentliche Delikt schon verjährt wäre. 

Jenseits der juristischen Details zeigt sich hier, ebenso wie bei der Repression gegen die militanten antifaschistischen Zusammenhänge im Zusammenhang mit dem sogenannten Antifa Ost Verfahren und bei der medialen Hetzjagd auf ehemalige Militante der RAF nach der Festnahme von Daniela Klette das Verhältnis des Staates zu allen ernst gemeinten Versuche, hierzulande Ansätze einer antagonistischen Politik zu entwickeln, die sich nicht integrieren lässt. 

Der Staat und seine ausführenden Organe vergessen und vergeben nicht, auch deshalb ist es so wichtig, die eigene Geschichte lebendig zu halten und zu verteidigen und nicht nur eine melancholische Randnotiz von in die Jahre gekommenen Genossinnen und Genossen.  

Deshalb an dieser Stelle ein Kapitel aus „Begrabt mein Herz am Heinrichplatz“ das der Aktion in Berlin Grünau gewidmet ist. Hintergründe zu dem damaligen Ereignissen und der Solidarität mit den verfolgten Genossen, die seit Jahrzehnten in Venezuela im Exil leben findet ihr auf dem Blog ende-aus.net

Dreiundvierzig / April 1995

Ein abgelegener Parkplatz in einem Waldstück am Rande von Berlin. Eine Bullenstreife fährt vorbei, routiniert gelangweilt der Blick vom Beifahrersitz. Etwas macht klick. Der VW Bulli wendet und kommt zurück. Auf dem Parkplatz stehen ein blauer Passat und ein roter Ford Transit, die Ladetüren des Transporters stehen offen. Eine routinierte Meldung über Funk, die beiden Bullen steigen aus. Der Fahrer die rechte Hand am Holster, der Beifahrer in der Linken eine große Stabtaschenlampe.  „Freiheit und Glück den alten Weggefährten“ weiterlesen