Trump geht all in, die europäischen Militärhaushalte werden explodieren, der neue Liberalismus, eben noch von Döpfners Schreibstube enthusiastisch abgefeiert, ruft nun besorgte Stimmen auf den Plan, die verzweifelt fragen, wo Europa mit seinen Abermilliarden Euros neue Waffensysteme kaufen soll, da den europäischen Generalstäben bewusst wird, dass praktisch alle modernen Waffensysteme ständige Updates benötigen, die im Zweifelsfall die US amerikanischen Hersteller verweigern könnten, wenn die Divergenzen eine bestimmte Fallhöhe erreichen sollten. Die Franzosen setzen seit Jahrzehnten auf eigenständige Waffenentwicklung – und Produktion, was eben noch als postimperialer Größenwahn einer ehemaligen Weltmacht erschien, die spätestens 39 in die reale Bedeutunglosigkeit gefallen war, ist nun der neue Sound der westeuropäischen Aufrüstung. Die Tendenz zum Krieg hat schon vor Jahren die Agenda des grünen Kapitalismus abgelöst, nur eine blasierte kleinbürgerliche deutsche Blase, von der grünen Partei bis in die sogenannten postautonomen Vorfeldorganisationen hat dies immer noch nicht realisiert. Und nein, die Zeitenwende ist nicht der Ausbruch des Ukraine Krieges, sondern die Perspektivlosigkeit des Kapitalismus in seiner Verwertungskrise, die immer neue Blasen produziert, die alle, latent instabil, jederzeit die gesamte soziale Zusammensetzung in den Metropolen innerhalb von Wochen, vielleicht sogar Tagen, zusammenbrechen lassen können, 2008 war im Vergleich dazu nicht mal eine Vorahnung eines Vorbebens, der Absturz an den Tech Märkten am Tage des Triumphes von DeepSeek kommt einer Simulation der kommenden apokalyptischen Reiter der Märkte wohl eher näher, nicht in den Dimensionen, aber in der Geschwindigkeit und dem unvermittelten Aufprall. Im Grunde spielt es keine Rolle ob Trump die Strafzölle für kanadische oder mexikanische Importe beibehält, reduziert, oder wieder ganz zurücknimmt – ob und wie lange er seinen Hofnarren Musk noch an seiner Tafel Platz nehmen lässt, der es sich in Verkennung der wirklichen Machtverhältnisse schon innerhalb von wenigen Wochen mit der Hälfte der Regierungsmitglieder verscherzt hat (in den Führungsetagen von BlackRock & Co lacht man sich eh scheckig über die neuen libertären Pausenclowns Musk, Milei und Co mit ihren Marsbesiedlungsplänen und Kettensägenmassakern, billiger Unterhaltungstrash der von den wirklichen strategischen Entscheidungen der wirklichen Big Player ablenkt, die die eigentliche Politik, auch von Trump, diktieren und diktieren werden) – die wirklich interessanten Fragen sind die Positionierungen im Kräftemessen zwischen China und den USA, in diesem Kontext kommt auch Russland ins Spiel, und das ist auch eine der möglichen Optionen der USA: Russland wieder in den Kreis der Großmächte aufzunehmen und so den Riss zwischen China und Russland zu verbreitern, eine strategische Triangel ist immer ein schwierig zu bespielendes Feld, politisch, wirtschaftlich und militärisch. „Wurmlöcher des Antagonismus (Part I – Polykrise und Hybris)“ weiterlesen
Freiheit und Glückauf!
Wir, Brüder der Vietnamesen, wir, Schwestern der Indianer, wir, Töchter Kambodschas, wir, Söhne Annams. Wir, mit der Wut im Bauch. Wir, mit dem Hass im Kopf, wir, mit der Liebe zueinander. Wir, die Roten Ratten, die Pinscher, die Ungeheuer, bezahlt aus dem Osten, die Rauschgiftsüchtigen, die Monomanen, wir, die Psychopathen, Terroristen, raubenden, plündernden und brandschatzenden Anarchosyndikalisten. Wir, die jeden Schlag am eigenen Leiber erfahren, der in Huế oder Kent-State ausgeteilt wird….FÜR ALLES REAKTIONÄRE GILT DASS ES NICHT FÄLLT, WENN MAN ES NICHT NIEDERSCHLÄGT! Da sind Wir!
Peter-Paul Zahl – Die Glücklichen
An dem gleichen Tag, an dem der Aufruf für eine Demonstration Ende Februar 2025 in Solidarität mit Daniela Klette veröffentlicht wird, macht der Spiegel mit der Schlagzeile auf: “Daniela Klette soll im Untergrund Kontakt zu Christian Klar gehabt haben”. Alles, was dann folgt, ist das Wiederkäuen der Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft Verden in der Anklageschrift für den Prozess gegen Daniela, dass sich dies “lebensnah” aus der Tatsache ergeben würde, dass Christian Klar eine Zeit lang “in unmittelbarer Nähe” zu Danielas Wohnung am Moritzplatz gewohnt habe. Wobei “die unmittelbare Nähe” nach den scharfsinnigen Schlußfolgerungen der Staatsanwaltschaft Verden 1,5 km beträgt. Halb Kreuzberg ein Terrornest! Das wusste BILD schon in den 80er. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, aber das ist wirklich das Niveau, auf dem sich die Berichterstattung der bürgerlichen Medien zu dem Ganzen bewegt. Nicht nur der Staatschutzapparat lässt den permanenten Ausnahmezustand des “Krieges der 6 gegen 60 Millionen” der 70er und 80er wiederaufleben, wenn er SEK Kommandos mit MP im Anschlag Ausflugsdampfer entern lässt, auch die Medien überschlagen sich seit der Festnahme von Daniela Klette vor einem knappen Jahr mit ebenso dumpfer wie oberflächlicher Berichterstattung, die sich nicht einmal bemüht zu übertünchen dass es sich im Kern um billigste Propaganda handelt. Man wartet nur auf den ersten Aufruf, sich des Abends auf den Balkonen zu versammeln, um unserer Demokratie und ihren Beschützer, den Helden der Polizei, lautstark Beifall zu zollen.
Doch wenden wir uns ab von dem intellektuellen Elend unserer Gegner und uns unseren eigenen Versäumnissen und Angelegenheiten zu. Die bewaffneten Gruppen – RAF, Bewegung 2. Juni, Revolutionäre Zellen und Rote Zora – entsprangen nicht den Launen und Befindlichkeiten einer Handvoll von Leuten, sondern konkretisierten sich in einem historischen Kontext und einer Diskussion und Suche von Abertausenden nach einem Weg, erstmalig seit der Zerschlagung der Organisationen der Arbeiterbewegung durch den Nationalsozialismus wieder eine “Gegenmacht” hierzulande zu konstituieren. Der “bewaffnete Weg” war eine Option der damaligen Diskussionen, einige haben ihn dann auch eingeschlagen, begleitet von den besten Wünschen und Sympathien von tausenden von Herzen. Die “Gründungserklärung” der RAF “Die Rote Armee aufbauen” wurde in der ‘883’ veröffentlicht, einem zutiefst undogmatischen Zirkular der langhaarigen Anarchisten West-Berlins. Als Rudi Dutschke 1974 am Grab von Holger Meins mit erhobener Faust “Holger, der Kampf geht weiter” proklamierte, war dies nicht Ausdruck einer melancholische Reminiszenz um “der gemeinsamen alten Zeiten wegen”, sondern die messerscharfe Einordnung einer der klügsten intellektuellen Köpfe, die die Linke hierzulande je hatte, warum und in welchem Kontext der Tod von Holger im Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF von Bedeutung für die gesamte, nicht-reformistische, Linke war.
Von den Anfängen der bewaffneten Gruppen Anfang der 70er bis zur Selbstauflösung der RAF 1998 war es ein langer Weg und wahrscheinlich hätte er schon viel früher geendet wenn nicht Anfang der 80er die Überreste der RAF mit ihrem “Frontpapier” in der Revolte der Jugend- und Besetzerbewegung einen neuen sozialen Resonanzrahmen gefunden hätten. In diesem von Anfang an schwierigen Spannungsverhältnis fanden nicht nur einige “aus der Bewegung” den Weg zu den Illegalen, sondern die Texte der RAF sowie der “antiimperialistischen Gruppen” wurden ebenso wie unzählige (kritische) Diskussionspapiere aus der autonomen Bewegung zu diesen Texten breit dokumentiert und diskutiert, u.a. in der damals noch “legal” erscheinenden ‘Radikal’ mit einer Auflage von 6.000 Exemplaren und einer vielfachen Leserschaft. Als 1981 die wütenden Kinder der Hausbesetzerbewegung nach der Nachricht, dass Sigurd Debus im Hungerstreik der Gefangenen gestorben sei, in West- Berlin den Kudamm komplett zerlegten, war dies der Beginn einer hochambivalenten, aber von Zuneigung und Verbundenheit getragenen Beziehung der “Bewegung” zu den “Illegalen” und den Gefangenen die aus diesen Kämpfen stammten. Dies drückte sich auch in den Aktionen aus, die den Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF Ende 1984, Anfang 1985 begleiteten. Neben unzähligen Besetzungen, Demonstrationen und eingeworfenen Fensterscheiben bei Banken etc. zählte der Staatsschutzapparat über 100 (!) Brand- und Sprengstoffanschläge, von denen viele aus der autonomen Bewegung kamen.
Nicht nur, aber auch deshalb, ist die Geschichte des bewaffneten Antagonismus auch (in Teilen) unser Erbe, die wir aus dem Aufbruch der Jugend- und Hausbesetzerbewegung, aus dem kommen, was später als “die Autonomen” bezeichnet wurde. Die Bedingungen und Begrenzungen, die alle erfahren, die sich in grundsätzlicher Opposition zu den herrschenden Verhältnissen setzen, lange bevor sich die Frage von “Legalität” und “Illegalität” überhaupt stellt. Das Verhältnis der Macht zu jeder Revolte, die sich nicht integrieren lässt, ist immer das, diese auszulöschen, zu vernichten, bevor sie zu einem grundsätzlichen sozialen Antagonismus heranreifen kann, in dem sich relevante Teile der Unterdrückten wiedererkennen. Es gibt zwei Bedingungen, die innerhalb der Logik der Wertschöpfung nicht verhandelbar sind: Die Besitzverhältnisse und das Gewaltmonopol, um diese aufrechtzuerhalten. Deshalb die unerbittliche Repression selbst gegen scheinbar gesellschaftlich unbedeutende Akteure wie die hierzulande noch existierenden militanten antifaschistischen Zusammenhänge. Deshalb die unerbittliche Hatz auf ehemalige Militante, und dies betrifft nicht nur Genoss*innen aus der RAF, sondern z.B. auch ehemalige Weggefährten aus der autonomen Szene in Berlin, die 1995 versucht haben (sollen), einen Neubau eines Abschiebeknastes in Berlin-Grünau in die Luft zu sprengen und gegen die Anfang des Jahres die Bundesanwaltschaft Anklage erhoben hat, obwohl selbst Interpol mittlerweile den internationalen Haftbefehl ausgesetzt hat und die beiden noch lebenden Gefährten mittlerweile als politische Flüchtlinge in Venezuela registriert sind.
Seit Jahrzehnten gab es nicht mehr so viele Genoss*nnen im Knast oder in ‘aufgezwungener’ Illegalität hierzulande. Und angesichts der Ermittlungen der Staatsschutzbehörden in den diversen Verfahren gegen antifaschistische Zusammenhänge droht dies noch mehr Menschen. Zugleich gibt es zwar zahlreiche solidarische Aktionen und natürlich ist das jahrelange Wegtauchen (auch wenn sich jüngst sieben Menschen nach 2 Jahre Illegalität gestellt haben) von den Beschuldigten in den “Antifa-Verfahren” ohne “solidarische Netzwerke” nicht denkbar, aber der letzte Versuch, dieser staatlichen Repression etwas grundsätzlich Offensives entgegenzusetzen, war die Mobilisierung zum “Tag X” im “Antifa-Ost” Verfahren im Juni 2023, die in einem Desaster endete. Zahlreiche strategische und taktische Fehler führten am Ende dazu, dass über 1000 Menschen in Leipzig in einem Bullenkessel landeten und von nächtlichen Scharmützeln in Connewitz abgesehen, der Repressionsapparat alles im Griff hatte. Die noch größere und politische Katastrophe aber ist, dass das Desaster dieses Tages, zu dem 1,5 Jahre lang mobilisiert wurde, nicht ansatzweise aufgearbeitet wurde. Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen, welche Lähmungen solche nicht verarbeitenden Niederlagen hervorrufen. Die Geschichte der “Niederlage von Leipzig” schließt so gewissermaßen den Kreis dieser kurzen Anmerkung zu der geplanten Demonstration am 22. Februar in Berlin.
In Verbindung mit der Verschiebung der Ängste hat die Trauer eine Art, die lineare Zeit zu verzerren. Die Sekunden brauchen Jahre, um zu vergehen, und man hat das Gefühl, jede Zelle im Körper zählen zu können. Tage werden in Herzschlägen und Hohlräumen gemessen, in die man fällt oder denen man knapp entgeht. Die Reihenfolge der Ereignisse und die dazwischen liegende Zeitspanne lassen sich kaum noch feststellen. Jahrzehnte alte Erinnerungen drängen sich mit der ganzen Intensität aktiv erlebter Emotionen in Deinen Schädel.
Iganitus – If We Go, We Go On Fire
Wenn wir über uns sprechen, wenn wir über den Ort sprechen, von dem aus wir reden und schreiben, von dem aus wir handeln oder nicht handeln, dann sprechen wir über einen Ort, den wir uns nicht ausgesucht haben und von dem wir wahrscheinlich selbst in unseren schlimmsten Alpträumen keine Vorstellung hatten. Einen Ort, der all unsere Träume, Sehnsüchte und Wünsche auslöscht, einen Ort, an dem wir gezwungen sind, zu leben, obwohl wir die meiste Zeit nicht das Gefühl haben, dass wir wirklich leben. Idris Robinson drückte dies in einem Essay zwei Jahre nach dem George Floyd Aufstand so aus: “Nachdem die Revolte endgültig der Vergangenheit angehört, fällt es mir schwer, etwas Sinnvolles zu sagen. Auch auf die Gefahr hin, melodramatisch zu klingen, wenn Normalität und Stabilität wieder die Oberhand gewinnen, sehe ich ehrlich gesagt keinen Sinn darin, irgendetwas zu tun, und selbst die banale Tätigkeit des Lebens kann sich als ziemlich zäh erweisen. Darüber hinaus würde ich wetten, dass jeder von uns mit diesem Zustand vertraut ist, in dem diese Anstrengung von einem gewissen Maß an Leid begleitet wird, das von leichtem Unbehagen bis hin zu schwersten Qualen reicht.”
Wenn Widerstand nicht mehr wirklich möglich erscheint, wenn wir uns nur noch im Kreis drehen und uns nur noch durch die Tage schleppen und die Nächte nur noch irgendwie überstehen, wenn alles nur noch das “nackte “Überleben” scheint, von dem Agamben spricht, und das alles im Angesicht der prächtigen Farben jener fernen Revolte, an wir uns umso häufiger und unwillkürlicher erinnern, je unmittelbarer fällt uns jenes “Absurde” an, das das Lebensthema von Camus philosophischen Werks war.
Ohnmacht, Trauer, Angst
Inmitten des entfesselten Kapitalismus, der alles zerstört und mit sich in den Untergang reißt, inmitten der allgegenwärtigen Tendenz zum Krieg, die sich auch hier mitten in Europa seit über 2 Jahren verwirklicht, inmitten der allgegenwärtigen Faschisierung von Staat und Gesellschaft stehen wir mit leeren Händen vor einem bis an die Zähne bewaffneten Feind. Aber vielleicht sind unsere Hände gar nicht so leer, vielleicht haben wir nur den Umgang mit den den unserer Klasse so allzu vertrauten Werkzeugen nur verlernt. Vielleicht speist sich ein Großteil unser Angst und Ohnmacht aus den nicht verarbeiteten Anteilen unserer Geschichte, vielleicht sind wir vereinzelt und isoliert gar nicht erst in der Lage, all diese Erfahrungen zu verarbeiten und zu analysieren, vielleicht brauchen wir genau dafür einander, all die Militanten aus den verschieden Epochen und Splittern unserer Geschichte. Die Geschichte schreiben die Sieger, so heißt es, aber haben wir es wirklich versucht, unsere Geschichte selbst aufzuschreiben, um wieder Geschichte schreiben zu können? Aufschreiben nicht als anekdotische Notiz, sondern als geteilte und gemeinsame Reflexion. Alles ist besser, als dieser Ort, der nach Verbannung schmeckt.
Im Herbst 2022 weckte Alfredo Cospito mit seinem Hungerstreik die sich im Tiefschlaf befindliche anarchistische italienische Galaxy wieder auf, die sich selbstbewusst militant auf den Straßen und Plätzen wieder einfand. Im Frühjahr 2021 brach der Hungerstreik von Dimitris Koufontinas das Eis des Corona-Ausnahmezustandes, das das Pflaster von Athen bedeckte, und allabendlich zogen Zehntausende durch die Straßen, um sein Leben zu retten. Der Knast ist der Ort der Entfremdung, was ja auch das eigentliche Ziel jeglichen Wegsperrens ist, den Menschen so von sich selbst zu entfremden, bis er endlich gebrochen ist, „resozialisiert“ in der Sprache des Systems. Aber der Knast, dieser Ort, der auch auch ein “Nicht- Ort” ist, um in den Begrifflichkeiten des derzeitigen mondialen “aufständischen Diskurses” zu sprechen, ist zugleich immer schon ein Ort des Kampfes. Um sich selbst, gegen den Prozeß der aufgezwungenen Entfremdung, gegen das System, das einem diese Entfremdung aufzwingt. Aber zugleich ist der Knast ehrlicher als das Leben hier draußen, in dem wir unser Gefängnis mit uns selbst herumschleppen, unsere Ohnmacht, Trauer und Angst tagtäglich verleugnen, weil sie so schwer zu ertragen ist. “reden wir dazu von uns, von unseren wunden, unserem hass, unserer freiheit. das ist unser blues. werden die brüder und schwestern schon hören und verstehen, der widerspruch zwischen leben wollen und nicht leben können ist explosiv, die lunte dran, marx dran…” schrieb Gudrun Ensslin in einem Kassiber aus der Zelle.
Vielleicht wäre das der nächste Schritt, uns unsere historische Niederlage selbst und endgültig einzugestehen. Vor uns und allen anderen. Um in den Trümmern endlich nach den Schätzen graben zu können, die unsere Geschichte für uns und alle, die auf der Suche sind nach einem Leben, das Leben meint und ist, bereit liegen. Fangen wir sie an zu bergen. Auf Veranstaltungen, in Diskussionen, in zaghaften und auf dem realen Kräfteverhältnis aufbauenden bescheidenen praktischen Schritten wie z.B. die Demonstration im letzten März in Berlin in Solidarität mit Daniela. Etwas besseres als den Tod werden wir überall finden heisst es bei den Bremer Stadtmusikanten. In diesem Sinne…
Freiheit und Glückauf für alle Gefangenen und Untergetauchten! Kommt zur Demonstration am 22. Februar in Berlin. 18:30 Uhr Oranienplatz.
Freiheit und Glück den alten Weggefährten
Laut Medienberichten vom 7. Januar 2025 hat die BAW nun Anklage gegen Peter Krauth und Thomas Walter wegen des gescheiterten Anschlags auf den Neubau eines Abschiebeknastes im Jahr 1995 erhoben. Der nächste Versuch, die beiden Genossen wegen der Aktion des K.O.M.IT.E.E 30 Jahre später doch noch zu belangen, obwohl das eigentliche Delikt schon verjährt wäre.
Jenseits der juristischen Details zeigt sich hier, ebenso wie bei der Repression gegen die militanten antifaschistischen Zusammenhänge im Zusammenhang mit dem sogenannten Antifa Ost Verfahren und bei der medialen Hetzjagd auf ehemalige Militante der RAF nach der Festnahme von Daniela Klette das Verhältnis des Staates zu allen ernst gemeinten Versuche, hierzulande Ansätze einer antagonistischen Politik zu entwickeln, die sich nicht integrieren lässt.
Der Staat und seine ausführenden Organe vergessen und vergeben nicht, auch deshalb ist es so wichtig, die eigene Geschichte lebendig zu halten und zu verteidigen und nicht nur eine melancholische Randnotiz von in die Jahre gekommenen Genossinnen und Genossen.
Deshalb an dieser Stelle ein Kapitel aus „Begrabt mein Herz am Heinrichplatz“ das der Aktion in Berlin Grünau gewidmet ist. Hintergründe zu dem damaligen Ereignissen und der Solidarität mit den verfolgten Genossen, die seit Jahrzehnten in Venezuela im Exil leben findet ihr auf dem Blog ende-aus.net.
Dreiundvierzig / April 1995
Ein abgelegener Parkplatz in einem Waldstück am Rande von Berlin. Eine Bullenstreife fährt vorbei, routiniert gelangweilt der Blick vom Beifahrersitz. Etwas macht klick. Der VW Bulli wendet und kommt zurück. Auf dem Parkplatz stehen ein blauer Passat und ein roter Ford Transit, die Ladetüren des Transporters stehen offen. Eine routinierte Meldung über Funk, die beiden Bullen steigen aus. Der Fahrer die rechte Hand am Holster, der Beifahrer in der Linken eine große Stabtaschenlampe. „Freiheit und Glück den alten Weggefährten“ weiterlesen
In Erinnerung an meinen Freund und Genossen Achim Szepanski
“es ist eine täuschung, zu hoffen, es sei genug, es könne nicht schlimmer mehr kommen”
Christian Geissler: Kamalatta
Es ist erst ein paar Stunden her, dass mich Dellwo – du hast immer von ‘Dellwo’ und nicht von Karl-Heinz gesprochen, obwohl ihr euch doch so nahe standet (was für Details einem immer einfallen…)- angerufen und erzählt hat, dass sie dich heute tot in deiner Wohnung vorgefunden haben. Ich weiß nicht, ob deine Seele nicht mehr wollte, oder der Körper, es spielt auch keine wirkliche Rolle. Ich weiß, dass es dir in letzter Zeit meistens ziemlich dreckig ging, Karl-Heinz und ich haben uns neulich noch am Rande der Veranstaltung zur Geschichte des Bewaffneten Kampfes in Kreuzberg darüber unterhalten. Ich habe dich ja schon seit Jahren nicht mehr gesehen, wir haben uns nur häufiger geschrieben und ab und zu telefoniert. Wie überraschend weich da deine Stimme immer klang, ich glaube die Wenigsten habe eine Ahnung davon gehabt, wie feinfühlig du warst. Und wir beide wissen, mein Lieber, dass es die Feinfühligen sind, die am meisten verzweifeln über dieses Elend der Welt und das, was Menschen einander antun. „In Erinnerung an meinen Freund und Genossen Achim Szepanski“ weiterlesen
Unsere Leichen leben noch
I have changed my name so often
I′ve lost my wife and children
But I have many friends
And some of them are with me
Leonard Cohen, The Partisan
Ein kühler Samstagabend in Kreuzberg. Das niedersächsische SEK lungert mittlerweile in Bereitstellungsräumen herum, in den Medien jeden Tag neue RAF Pornos, in denen der Voyeurismus der stumpfen Massen mit intimen Details über schmuddelige Sofaüberwürfe und schlechten Möbelgeschmack gefüttert wird. Der Ausnahmezustand, der im Corona Modus zum permanenten wurde, erlebte seine Wiederauferstehung im besiegten Nachfolgestaat des NS in den 70er Jahren bei der Killfahndung nach den Kadern der Stadtguerilla, bzw. im polizeilichen Kreuzfeuer, dass das Leben von etlichen Unbeteiligten forderte, die fälschlicherweise für solche gehalten wurden. Dass der Prozess der Staatsfaschisierung eben auf jeden fundamentalen Widerstand zielte, erlebte im Herbst 1977 auch die Anti-AKW Bewegung, als bundesweit über 10.000 Bullen, teilweise mit Maschinenpistole im Anschlag um die 75.000 (!) Fahrzeuge durchsuchten, um eine Demonstration gegen den schnellen Brüter in Kalkar zu verhindern, die dann trotz Verbot und Ausnahmezustand mit 50.000 Menschen direkt am Bauzaun stattfand. „Unsere Leichen leben noch“ weiterlesen
Menschenjäger, Schreibtischtäter
“Und jetzt lag er hier, gute zehn Jahre später und wusste um all die Zusammenhänge, sah den roten Faden, der sich durch sein Leben zog. Wusste alles und doch nichts. Dachte an alle, die da noch draußen in Illegalität unterwegs waren. Die untergetaucht waren, weil sie etwas grundsätzlich Anderes gesucht hatten oder einfach nur weil ihnen die Bullen dicht auf den Fersen waren. Es machte keinen Unterschied. Für sie alle gab es keinen Weg zurück mehr. Nicht in absehbarer Zeit.”
Die schönste Jugend ist gefangen, S. Lotzer 2019
Blendschockgranaten auf dem Wagenplatz, im Minutentakt überschlagen sich die Meldungen der Medien von der Menschenhatz in der Stadt, die ihre Seele schon vor langer Zeit an den Meistbietenden verkauft hat. Ein paar Worte der Liebe und Verbundenheit auf einer alten Sperrmüllmatraze eine Staatsaffäre. Das System wird jenen, die es gewagt hatten, aufzuzeigen, das der Kaiser wirklich nackt ist, wenn mensch es ernst meint mit dem “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”, genau dieses Bloßstellung niemals verzeihen.
Die Hybris der Allmacht angekratzt, man kann eine unendliche Anzahl an Buchseiten mit den Verirrungen, Irrtümern, den Unmenschlichkeiten, auch und gerade unter denen, die aufgebrochen waren in den bewaffneten Antagonismus, später in den Frontprozess, füllen, aber da bleibt diese klammheimliche oder sogar offene Freude über die Sprünge im Panzerglas. „Menschenjäger, Schreibtischtäter“ weiterlesen
Be Water My Friend
Die Dunkelheit fällt über die Stadt, im Minutentakt Sirenen am Kotti, ein Bullenhubschrauber steht über den Dächern, der übliche Partymob ist heute woanders unterwegs. Der Himmel beginnt sich in allen Farben des Feuerwerks zu färben und es sind noch fast sechs Stunden bis Mitternacht. Wer nichts hat oder alles verloren hat, vertreibt die Geister der Armut für ein paar Stunden. Mit jedem Schuss in die Sterne, die kein Versprechen halten.
Am Zickenplatz ist der Kinderspielplatz von den Bullen mit Flutlicht geflutet, jeder Strauch ein potentieller Verbrecher. Am Kottbusser Damm zirkulieren jetzt die Wannen im Minutentakt, in der dunklen Seitenstraße die mattgrauen Transporterkolonnen der Bundespolizei, Warlords auf fremdem Territorium.
An der Mündung zur Sonnenallee die Festung der Besatzungstruppen. Absperrgitter, Flutlicht, Wannen und Bullen so weit das Auge reicht. Der Bürgermeister und die Innensenatorin machen ihre Aufwartung, die Koalition der Willigen. Das jugendliche Surplusproletariat kümmert sich einen Scheiß um die Checkpoints, über Seitenstraßen und Hinterhöfe füllt sich der nicht mit Flutlicht geflutete Abschnitt der Sonnenallee und um Mitternacht erleuchtet ein fulminantes Feuerwerk die ganze Strecke bis weit hinaus zur High Deck Siedlung, wo mehrere Hundertschaften auf der Lauer liegen. „Be Water My Friend“ weiterlesen
Berlin grüsst Athena
“Kriegt raus, wo die Heime sind und die kinderreichen Familien und das Subproletariat und die proletarischen Frauen, die nur darauf warten, den Richtigen in die Fresse zu schlagen. Die werden die Führung übernehmen. Und lasst euch nicht schnappen und lernt von denen, wie man sich nicht schnappen lässt – die verstehen mehr davon als ihr.
Die Klassenkämpfe entfalten. Das Proletariat organisieren.
Gudrun Ensslin – Die Rote Armee aufbauen, Juni 1970
Das Geschrei ist groß, der kleinbürgerliche Mob tobt in den Netzwerken und Medien, Faschisten und Grüne in der Sache endlich vereint. Der Gesundheitsminister hat den permanenten Ausnahmezustand der Pandemie völlig verinnerlicht, wer Einsätze von Bullen und Feuerwehr behindert, soll gefälligst aus seiner Wohnung geworfen werden.
Jeder, der wissen wollte, wusste was passieren wird. Wer auf den Straßen dieser Stadt unterwegs ist, sich außerhalb seiner Wohlfühlblase bewegt, sich mit den proletarischen Jugendlichen unterhält, wusste, dass die Nacht der Abrechnung gekommen war. Fast drei Jahre Pandemie Ausnahmezustand, überall Schikanen, Repression und Bullen, jetzt die nächste solidarische Anstrengung der Gesellschaft, alle haben Opfer für den gerechten Krieg aufzubringen. Da wo die Kohle am Monatsende eh nicht reicht, reicht sie nicht mal mehr für den halben Monat. Der alltägliche Rassismus der Bullen, die Armut, der du nur entkommst, wenn du dir auf kreative Art und Weise dein Geld jenseits der bürgerlichen Spielregeln verdienst. Du bist der Abschaum der Gesellschaft, bildungsfern hört sich eleganter an als asoziales Milieu, meint aber dasselbe. „Berlin grüsst Athena“ weiterlesen
Post Covid Riot Prime Manifest (3) – Roter Oktober
“Es bedeutet zu behaupten, dass wir aufrichtig sind, mit unseren Kinderaugen in dieser nicht zu rechtfertigenden Welt; wenn jemand jemanden angreift, wird jemand jemanden angreifen.“
Manifest der Jugend (1)
Einundvierzig. Es war ein heißer Sommer. Die Taktung der Aufstände machte schwindelig, die Winterpaläste zu erobern erfolgte handstreichartig wie auf Sri Lanka, aber: “Es kommt vor, dass Aufstände nicht direkt vom Staat besiegt werden, sondern vielmehr durch den Schock ihres eigenen Sieges. Als die Bewegung ihren eigenen Sieg betrachtete, schien sie wie gelähmt.” (2) Wie bereits im ‘Post Covid Riot Prime Manifest – Next Level’ konstatiert: “Nicht reif für den Bürgerkrieg, örtlich begrenzt, idealisierend in ihrer Verhaftung des Commune Charakters gelang nicht der notwendige Sprung in die neue Qualität der Klassenauseinandersetzung. Aber selbst wenn dieser Sprung zukünftig gelingen wird, wir also real die vorrevolutionäre Qualität erfahren, mit allen Sinnen, stehen wir vor dem Dilemma, wie sich diese neue Qualität ausdrückt, ihre Form findet”. (3)
Gewisse Kreise in Frankreich, aus denen die Autorenkollektive Tiqquin und das Unsichtbare Komitee entstammen, bereisten verschiedene Orte des militanten Dissens, beschäftigten sich intensiv u.a. mit den Erfahrungen der italienischen Autonomia, bevor sie ihre Analysen und Vorschläge veröffentlichten. Verbleiben wir für einen Augenblick an diesem letztgenannten Ort, versuchen wir noch einmal unseren Fokus auf jene Klassenauseinandersetzung der 70er in Italien zu richten. „Post Covid Riot Prime Manifest (3) – Roter Oktober “ weiterlesen
No Future (Upload 1. Mai 2022)
Letztes Jahr noch “wir sind friedlich”, nun also “Yalla Klassenkampf” mit jede Menge Nationalfahnen vorneweg, dahinter irgendwelche Neo-Stalinisten- Maoisten-Leninisten, was auch immer. Die Aufmärsche der K Gruppen in den 70er an gleicher Stelle waren nicht schlimmer. Alles trottet brav vor sich hin, der sogenannte anarchistische Block, zu dem mit dem wohl hässlichsten 1. Mai Plakat ever mobilisiert worden war, platziert tatsächlich zwei Rauchtöpfe vor dem Bullenrevier in der Sonnenallee, darf dann endgültig im fetten Spalier laufen.
Ein paar Anwohner freuen sich über die Demo, was von den Organisatoren des Spektakels gefeiert wird als wäre das eine Weltneuheit. In 36 schieben die Bullen unterdessen die Abertausenden von Partyleuten, die in den Kiez eingefallen sind, als wären Myfest und Love Parade auf einen Tag gelegt worden, von der Demoroute. Dr. Motte legt dann auch tatsächlich auf dem Mariannenplatz auf, bekannt aus Funk und Fernsehen für seine antisemitischen und homophoben Ausfälle. Alles egal, Hauptsache irgendwas mit Future.
Irgendwann kommt die “revolutionäre” 1. Mai Demo am Kotti an, rechts und links drängeln die Bullen, die aus den Seitenstraßen strömen, mit Wannen und Gittern ist ein Flaschenhals konstruiert worden, wie eine Viehherde wird die Masse in den Pferch getrieben, fein separiert vom schaulustigen Publikum. Der Oranienplatz in alle Richtungen abgeriegelt, als die erste Rangeleien beginnen, leuchten die mobilen Flutlichtmasten auf, im grellen Licht gleiten die Greiftrupps wie Buttermesser in die vorgewärmte diffuse Masse, am Ende um die 100 Festnahmen für nichts außer ein, zwei Farbeier und ein paar Flaschen. Die Demo Orga verdünnisiert sich irgendwann mit ihrem Lauti, nicht ohne noch im Großkotzlabermodus vom starken ersten Mai auf den Straßen Berlins zu labern, während daneben die Leute reihenweise zu Boden zu gehen. „No Future (Upload 1. Mai 2022)“ weiterlesen