Nightshift 2 – Welche Farbe hat die Nacht

„Das von der Regierung festgelegte Kriterium zur Bestimmung der Farbe unseres Lebens sind 50 Fälle pro 100.000 Menschen pro Woche. Statistisch gesehen ist dies eine extrem niedrige Risikorate von 0,5 Promille. Wie ist es möglich, dass Menschen für ein Risiko, das selbst auf das ganze Jahr hochgerechnet gering bleibt, bereit sind, nicht nur ihre Freiheit aufzugeben, sondern auch alles, was das Leben lebenswert macht: den Kontakt zu anderen Menschen, den Blick in ihre Gesichter, die Erinnerung und die gemeinsam gefeierten Feste? Herr Wärter, welche Farbe hat die Nacht?“

Giorgio Agamben 25. Januar 2021

Nach Tunesien nun die Niederlande, kaum sind die Riots der abgehängte Jugendlichen dort beendet, steht das Rathaus von Tripoli in Flammen. Im Wochentakt fegen die Aufstände durch die brave new world des Pandemie Ausnahmezustand. Man sucht nach Erklärungen. Wenn überhaupt. Rassismus, Polizeigewalt, soziale Missstände, Armut, Hunger… Dabei wäre doch die einzige eigentlich wirklich zu stellende Frage nur, warum nach fast einem Jahr Ausnahmezustand in weiten Teilen der Welt eben jene nicht endgültig komplett in Flammen steht? Warum immer noch so viele den Anordnungen des Empires Folge leisten, wenn auch etliche immer widerwilliger… Die Korruption und Unfähigkeit der politischen Klasse des Libanon ist so offensichtlich, dass selbst die westlichen Medien voller Verständnis für die gewaltsame Revolte der Geknechteten und Unterdrückten sind. Der Rauchpilz der Explosion im Hafen von Beirut, der so fatal an die atomare Apokalypse erinnerte, hat sich in die historische Netzhaut der Menschheitsgeschichte gebrannt.  „Nightshift 2 – Welche Farbe hat die Nacht“ weiterlesen

Endgames (2)

Did they get you to trade

Your heroes for ghosts?

Hot ashes for trees?

Hot air for a cool breeze?

Cold comfort for change?

Did you exchange

A walk on part in the war

For a lead role in a cage?

Die wesentliche Frage dieser Epoche ist nicht mehr, was in der Realität passiert, sondern wer die Macht hat, zu entscheiden, welche Erzählungen über die Realitäten dominieren und in welcher Form darüber kommuniziert wird. Insofern ist es wichtig zu begreifen, dass wir seit einem Jahr Zeitzeugen eines äußerst gelungenen Coup d’État sind. 

Wenn jegliche Manifestierung gelebten Lebens, also menschliche Kontakte, körperliche Nähe, gefeierte Feste, la dolce vita… unter Generalverdacht stehen, wenn Depressionen, Suizide, kindliche Verhaltensstörungen, Einsamkeit, Verzweiflung, Essstörungen, Suchtverhalten, Armut… uniso im allgemeinen Sprachgebrauch, selbst unter den kritischen Stimmen zum derzeitigen Ausnahmezustand, als “Kollateralschäden” bezeichnet werden (über die man reden und die man abwägen müsse), zeigt sich wie sehr das Narrativ, “wir befinden uns im Krieg gegen das Virus” bereits allgemein verinnerlicht wurde. Wobei dabei sowohl “der Krieg” als auch das “Wir” Ausdruck des geglückten Coup d’ Ètat sind.  „Endgames (2)“ weiterlesen

Nightshift 1

It will be a long night.

It is good, on the night shift, oooh

You found another home

I know that you’re not alone on the night shift

Vier Abende und Nächte. Verschärfte Ausgangssperre. Zehn Jahre, nachdem Muḥammad al-Būʿazīzī sich und das was die weiße Welt die arabische Welt nennt, in Brand gesetzt hat. Pandemie Ausgangssperre. Niemand hat ihnen das abgekauft. Die Angehörigen Jener, die vor 10 Jahren gefallen sind, haben sich wie jedes Jahr in der Innenstadt von Tunis versammelt, um zu gedenken, um dafür zu sorgen dass die Toten nicht vergessen werden, um an alles zu erinnern, um daran zu erinnern, dass sich nichts geändert hat. Man hat ihnen Pfefferspray in die Gesichter gejagt, so als wenn da eh schon nichts als Tränen wären.

Seit der ersten Nacht der verschärften Ausgangssperre brennen auf den Straßen der Arbeiter*innenviertel Tunesiens wieder die Autoreifen, fliegen Steine… “Das ganze System muss verschwinden … Wir werden auf die Straße zurückkehren und unsere Rechte und unsere Würde zurückgewinnen, die eine korrupte Elite nach der Revolution an sich gerissen hat.“… Eine Stimme von vielen, hier denkt fast jede und jeder so. Regierungsgebäude werden mit Steinen und Brandflaschen bedacht. Die Vororte von Tunis, Kasserine, Gafsa, Sousse, Monastir, die gleichen Namen, die gleichen Orte wie vor zehn Jahren. Nichts hat sich geändert. Alles muss sich ändern. Die Regierung hat die Armee und die Nationalgarde mobilisiert, Radpanzer rollen durch die Straßen, werden von den Dächern aus mit Molotows eingedeckt. Über 700 Jugendliche sind mittlerweile festgenommen worden, vor dem Justizpalast von Tunis stehen ihre Familien und fordern ihre Freilassung. Mittlerweile wachsen die täglichen Demos in der Hauptstadt an, auf der geschichtsträchtigen Avenue Habib Bourguiba sammeln sich die Menschen: “Das Volk will den Sturz des Regimes”. Immer noch. Eine Ansprache des Premierministers im TV: “Die Klagen und Anliegen der Jugend sind berechtigt, wir haben sie vernommen, aber wir werden mit Härte gegen jegliche Gewalt vorgehen.” Es ist, als wenn Ben Ali niemals gestürzt worden wäre.

Das Jahr hat erst begonnen und schon erscheint es, als wenn die Welt nur für ein paar Monate (scheinbar) die Luft angehalten hätte. In Guatemala drängt eine neue Karawane der Hoffnung in Richtung USA, in Indien sind seit Wochen Millionen von Bauern auf den Straßen, in Frankreich fliegen wieder jedes Wochenende die Tränengaskanister durch die Luft. Und dies sind nur Bruchstücke jener Sequenzen, die derzeit die Zuspitzung der sozialen Konfliktualität trotz oder gerade wegen des Corona Ausnahmezustand wieder auf die Tagesordnung setzen. „Nightshift 1“ weiterlesen

Endgames (1)

Schließen wir die Pandemie Kriegstagebücher (1) ab. Nicht weil die Pandemie vorbei wäre, oder die diskursive und gesellschaftliche Entwicklung die sich seit dem März 2020 ereignet hat, nicht weitere Worte wert wäre. Sondern weil es langsam notwendig wird, je länger und entgrenzter der Faschisierungsprozeß Staat und Gesellschaft durchzieht, sich von dem abzuwenden, was nur als Ouvertüre begriffen werden kann, für das was uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bevorsteht. Wenn wir also über den Pandemie Faschismus, der in den staatlichen Maßnahmen und der gesellschaftlichen Reaktion eingeschrieben ist, noch weiter sprechen, dann ab sofort nur noch um sich einen Begriff von den Notwendigkeiten und Bedingungen zukünftiger sozialer Konfliktualität zu verschaffen. Und wenn wir das sagen, reden wir zugleich von dem was es in den Fokus zu nehmen gilt, den radikalen Umschlag in der Qualität der Bestimmung des Kampfterrains durch unsere Todfeinde, die eigentlich mit dem Rücken an der Wand stehen, wobei ihre historischen Gegner, jetzt, wo es endlich so weit ist, zu blind sind, das zu sehen, zu begreifen, während sie sonst bei jeder Krise das nahe Ende des Empires prophezeit haben, zuletzt 2008 und am Beginn der Pandemie erneut. Immer wieder wurde davon gesprochen, dass es “danach” alles anders sei, die Zeit “jetzt reif” sei und ähnliches. Es gibt aber keine Reife der Zeit, keine objektiven Bedingungen. “Bifo” sagte kürzlich: “Der Kapitalismus ist noch an der Macht, er ist  aber bereits tot”. Wahrscheinlich ist dem so. Vielleicht hat auch Agamben Recht, wenn er das Modell der VR China als Gewinner dieser historische Phase sieht und prophezeit: “Sicher ist jedoch, dass das neue Regime den unmenschlichsten Aspekt des Kapitalismus mit dem grausamsten Aspekt des Staatskommunismus verbinden wird, indem es die extreme Entfremdung der Beziehungen zwischen den Menschen mit einer noch nie dagewesenen sozialen Kontrolle kombiniert.” „Endgames (1)“ weiterlesen

Winter des Grauens

Keine letzte Runde, kein bierschaumfeuchter Männerkuss nach Mitternacht. Kein Blick in alte müde Augen, in denen hinter all den nicht geweinten Tränen noch immer so etwas wie Sehnsucht aufblitzt, das Bedürfnis nach etwas, was den Namen Leben verdient, vielleicht sogar noch einmal Liebe. Keine trunken geteilten Schwüre, dass da noch was kommen muss. Keine trotzige Anekdote, keine Zärtlichkeit, die sich so manches Mal in fast hilflosen, kindlichen Gesten ausdrückt. Nicht einmal ein Tresen an dem man sich festhalten kann. Nur die kalte, nackte Stadt, das verordnete Überleben, der Suizid als letzte Handlungsoption der Rebellion.

Wo das Leben scheinbar alles wert ist, verliert es jeden Wert. Jeder fällt für sich ins weiß, schon vor Jahrzehnten aufgeschrieben verleiht der Pandemie Ausnahmezustand der Knastgesellschaft Kontur und Ausdruck, die ganze Stadt ein Hochsicherheitstrakt, überall Gefährder und Gefährdete, die Übergänge sind undefiniert und fließend, jeder kann alles sein, die Massenneurose der Postmoderne gebärt im Panikmodus ihre Massenpsychose und wie in jedem psychotischen Zustand ist die paranoide Seele Argumenten und Relativierungen nicht mehr zugänglich. Alles dreht sich, Schwindel dominiert, es kommen die schlaflosen Nächte, die Abstumpfung, das Primat der sich selbst unterfütternen Statistik. Funktionalität muss gewahrt werden, Tunnelblick, Regression, jemand muss uns retten, wir geben alles dafür. Alles was wir waren oder meinten zu sein. So einfach geht das. „Winter des Grauens“ weiterlesen

Sternenstaub

Die Leute haben ihre Sterne, für jeden sind sie anders. Für manch Reisenden sind die Sterne Führer. Für andere sind sie nichts anderes als kleine Lichter. Und wieder andere, für die Gelehrten, sind sie Probleme. Für meinen Geschäftsmann waren sie Gold. Aber alle diese Sterne schweigen. Du aber, du wirst Sterne haben wie niemand anderes …

Der kleine Prinz – Antoine de Saint-Exupéry

Sich fügen, sich beherrschen, unkenntlich werden, nicht aus klandestiner Absicht, sondern in Verleugnung. Kein Lächeln. Nirgendwo. Wer aber hat all die Menschen gezählt, denen ein unverhofftes Lächeln die Kraft gegeben hat, diesen Tag, nur diesen einen Tag noch weiterzuleben, den Strick beiseite zu legen, die Schlaftabletten in der Toilette herunter zu spülen. Wer zählt die Kinder, die in den Dörfern Afrikas an banalsten Krankheiten sterben, während hier die Virenbeherrschungsmaschine mit Milliarden gefüttert die neurotische Angst zu bannen verspricht. Wer zählt die Toten, die, bevor sie sich zu den Toten gelegt haben, einsam und verlassen in den Betten der Pflegeheime darbten, keine Hand zu halten, kein zärtlicher Finger, der die Tränen aus den Augenwinkeln wischt, keine letzten Worte des Abschieds, keine Versöhnung mit den Altlasten, die ein jeder von uns mit sich selbst herum schleppt. Nicht einmal der Pfarrer fand den Weg. Da war nur diese Kälte, die fast immer zum Schluß da ist und niemand reichte eine zweite Decke, kein warmer Körper, der noch einmal mit all der Liebe zu der nur ein Herz fähig ist, Trost spendete. Nur der Übergang, dieser Ort wo die Farben verschwinden, alles zurücktritt, man nur noch Erinnerung ist. Allein ins weiß geworfen. Verbuddelt wie ein Hund, die Kapelle auf dem Friedhof zugesperrt, keine Klagelieder, keine Reden, keine Würde. Wo es nur noch um das nackte Überleben geht, verliert selbst der Tod seinen Sinn. „Sternenstaub“ weiterlesen

Dancing in the rain – L 34

Lautstark schiebt sich die Menge durch die enge Gasse in Richtung Hackescher Markt,  vorneweg eine knappe Hundertschaft. Pünktlich hat der Nieselregen eingesetzt, die Nässe kriecht durch die Ritzen und Poren, macht die Beine klamm. Die Bordsteinschwalben haben unter einem Vorsprung Unterschlupf gesucht, zücken ihre Smartphones, Lächeln im Gesicht, mal was anderes als die immer gleichen Touristenvisagen. Aus den Bereitstellungsräumen strömen weitere Hundertschaften, Bundespolizei und andere Auswärtige. Der erste Fehler: Arroganz. Unterschätze nie einen angeschlagenen Gegner. 

Und während die Bullen noch ihr Spalier aufziehen, gehen schon die ersten Scheiben zu Bruch. Irgendwelche Läden mit irgendwelchen Kram, den keiner braucht, oder sich kaum einer leisten kann. Aber heute ist vieles nicht wie sonst, kein Zögern, keine Panik, schnellen Schrittes weiter. Da wo das Spalier aufhört ein weiterer militanter Kern, Pyros fliegen auf die Bullen, die ersten Steine. Die Demo biegt in Richtung Alex ab, immer mehr Feuerwerk und Rauchbomben, irgendwo klirren weitere Scheiben, die Bullen verlieren den Überblick. Neue Bullentrupps eilen herbei, kurzfristig flutet der hintere Teil der Demo zurück, noch mehr Steine und Pyros für die Bullen, die Leute fassen sich ein Herz, die Lücke wird zu gelaufen, die Bullen erleichtert, der Plan, stoppen vorne auf, arbeiten am Spalier. Zweiter Fehler: Mangelnde Flexibilität. 

„Dancing in the rain – L 34“ weiterlesen

Räumungsblues in Berlin

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben

Hermann Hesse

Der erste Abend im August in Berlin. Dies sind die Abende wo das Licht gelbgülden in die Nacht fällt. Auf einem kleinen Platz im Berliner Bezirk Neukölln haben sich rund um eine Kirche gut tausend Menschen eingefunden. Viele sind ganz in schwarz gekleidet, vielleicht gibt es auch etwas zu betrauern, von etwas Abschied zu nehmen, vielleicht gibt es aber auch noch ganz andere Gründe. Doch bevor wie auf die Motive der Anwesenden zu sprechen kommen, ist es vielleicht an der Zeit, ein wenig über die Vergangenheit des Ortes zu berichten, an dem die folgende Erzählung spielt.

Der Platz und die Kirche liegen im sogenannten Schillerkiez, eigentlich ein Arme-Leute Viertel, in dem bis vor wenigen Jahren die Wohnungen relativ bezahlbar waren, was zum einen daran lag, dass mit der Gegend nicht viel Staat zu machen war und zum anderen die Häuser in der Einflugschneise des mittlerweile stillgelegten Flughafen Tempelhof standen. Doch wenn ein Übel geht, in diesem Fall der Fluglärm, kommt häufig ein anderes. So ist es jedenfalls häufig im Leben der armen Leute.

Doch greifen wir nicht vor. Früher, also richtig früher, war es nämlich nicht so ein Arme-Leute Viertel. Im Gegenteil. Neukölln, dass damals noch Rixdorf hieß, sollte seinen Ruf als bloßer Proletenbezirk loswerden und so baute man entlang der Schillerpromenade schmucke Mehrfamilienhäuser für das Bürgertum und verlegte auf der Promenade sogar echten englischen Rasen. Das nahe Vergnügungsviertel rund um die Hermannstraße, wo jeden Abend, aber vor allem am Wochenende der Bär steppte, lockte zusätzlich besser Betuchte in das Viertel und so entstand ein Stadtquartier in dem für damalige Verhältnisse sensationelle 90% der Wohnungen über Bad und Toilette in der Wohnung verfügten. Den Malochern durfte dann noch der Bauhaus Architekt Bruno Taut in der Oderstraße eine sonnige und luftige Wohnanlage errichten und fertig war das Schmuckkästchen Schillerkiez.

Dann kam der Faschismus und der zweite Weltkrieg, der aber das Viertel weitgehend unzerstört hinterließ. Aber die Besserbetuchten zogen weiter und weg und der Zerfallsprozess der Baustruktur nahm seinen Lauf, was sich erst Anfang der 90iger änderte, als das Viertel zum Sanierungsgebiet erklärt wurde.

Die neuen Linken und die, die man früher die Alternativen nannten, waren schon seit Ende der 60iger im Viertel heimisch geworden, wenn auch die Gegend sowohl für die 68iger als auch für die Hausbesetzer Bewegung Anfang der 80iger keine große Rolle spielte, obwohl ein Stadtteilladen und ein Urgestein der linken Kneipenszene im Kiez schon lange heimisch geworden waren. Doch auf letzteres kommen wir erst später zu sprechen. Noch vor gut zehn Jahren konnte man im Viertel noch jene typische Ansammlung von 4 Proleteneckkneipen an mancher Straßenkreuzung bewundern, wenn auch die Stammkundschaft so langsam ausdünnte. Man lebte im allgemeinen in friedlicher Koexistenz, wenn auch die demonstrativ zu jeder Fußball Weltmeisterschaft heraus gehängten Deutschlandfahnen das gute Verhältnis etwas trübten.

Doch dann verschwanden die Flugzeuge und die Aufwertungspioniere hielten Einzug. Galerien und hippe Lokalitäten entstanden, das obligatorische Quartiersmanagement eröffnete ein Büro, die Mieten fingen an zu steigen und konnten eher von Wohngemeinschaften als von Arbeiterfamilien aufgebracht werden. Farbflaschen und der eine oder andere Pflasterstein fanden ihren Weg an die Fassaden und in die Schaufenster der Akteure der Aufwertung, allerdings hielt sich diese Form des Widerstandes in Grenzen. Stattdessen fanden sogenannte Kiezspaziergänge statt, eine Stadtteilzeitung entstand, in der Intellektuelle für sich selber schrieben, die eine oder andere kurzfristige Besetzungsaktion schufen Öffentlichkeit, mehr aber auch nicht. Das vielleicht vielversprechendste Projekt im Versuch, den Verdrängungsprozess aufzuhalten, waren Mieterberatungen, die von linken Aktivisten organisiert und die regelmäßig gut besucht wurden von den Bewohner*innen des Viertels, die sich nun zunehmend mit Mieterhöhungen und Modernisierungen konfrontiert fanden. (1)

In einem wahren Moment von Weitsicht und Mut wurden nun doch tatsächlich die Mieterberatungen und Informationsveranstaltungen zum Thema Wohnen in einige der Eckkneipen verlegt wo sie durchschlagenden Erfolg hatten, vollgefüllte Säle erwarteten die Referenten und Mietberater, in Gesprächen mit den Alteingesessenen stellte sich heraus, dass diese teilweise unter sich schon Solidarstrukturen geschaffen hatten, von denen die Linken nur träumen konnten. Doch da das Leben kein Märchen ist und den Linken die realen Subjekte des Klassenkampfes schon immer suspekt waren (Haupt-und Nebenwidersprüche und sowieso die ganzen nicht so korrekten Verhaltens-und Redensweisen) zog man sich dann doch schleunigst wieder in seine identitäre Höhle zur Beratung unter und für sich zurück und der Moment, wo ein gemeinsamer Kampf am Horizont erschien, ward Geschichte.

Einige Jahre später, und nun kehren wir ins hier und jetzt und zur oben schon erwähnten linken Szenekneipe zurück, ist der Prozess der Gentrifizierung im Schillerkiez weit fortgeschritten und irreversibel. Und nun, wo schon so viele der alten Nachbarn gezwungen waren zu gehen, ereilt dieses Schicksal nun auch jenes Urgestein der linken Kneipenszene, das Syndikat. Und wenn man sonst die Anzahl der Teilnehmer*innen an Aktionen gegen Verdrängung im Viertel mit viel Glück im niedrigsten dreistelligen Bereich verorten konnte, sind nun hier und heute, an jenem ersten Abend im August sogar aus dem ganzen Bundesgebiet Menschen angereist um “Aus der Defensive zu kommen”.

Wobei dieses Anliegen eher taktisch-pragmatischer Natur zu sein scheint, haben doch die dazu veröffentlichten Texte nichts Neues zu der Erzählung von Aufwertung und Verdrängung beizutragen, bzw. weisen sie auch nicht wirklich einen Bezug auf jene wegweisende Texte auf, die vor einigen Jahren entstanden sind, die einiges an Resonanz, wenn auch leider nichts an Konsequenz zur Folge hatten. (2) (3) (4) Im Gegenteil, die aktuelle Erzählung von der Verteidigung von Freiräumen fällt hinter jegliche Diskussion der letzten 10 Jahre zurück.

Doch lassen wir uns nun dennoch zunächst auf das vorgegebene taktisch-pragmatische Vorgehen ein und erzählen aus dieser simplifizierenden Perspektive. Auch weil der Erzähler ein Herz für alles hat, was qualmt und knirscht und spittert.

Wenige Minuten nach der festgelegten Zeit nun, und das ist für Berliner Verhältnisse ungewöhnlich pünktlich, weil hier jede unbedeutende Latschdemo mit wenigen hundert Leuten grundsätzlich erst nach einer Stunde nerviger Warterei losläuft ( Der 1. Mai in manchen Jahren sogar erst nach 2 h, soviel hatte die selbsternannte Avantgarde dem rebellischen Pöbel zu verklickern, dem die Gunst zuteil wurde, dem Riesenbummbumm Truck des Revolutionären 1. Mai Bündnis hinterher laufen zu dürfen), setzen sich nun die gut tausend Leute vom Herrfurthplatz aus in Bewegung.

Schnellen Schrittes und scheinbar frohen Mutes. Vorneweg ein black bloc, der auch auf dem zweiten Blick dem Anspruch des kritischen Betrachters gerecht zu werden scheint und nicht nur, wie leider so oft in Berlin, eine Mogelpackung oder ein Haufen von ein paar dutzend Leuten war, die im Ernstfall, vom Rest der Demo im Stich gelassen, von den Bullen verprügelt und/oder eingesackt wird. In Windeseile erreicht man die Herrmannstraße, so schnell können die Bullen gar nicht ihr Spalier aufziehen. Das JobCenter in der Mainzer bekommt was ab, die Bullen davor auch, die Demo immer noch geschlossen, vor der Demo werden hektisch Bulleneinheiten umgruppiert. Nach einem Schlenker geht die Demo zurück auf die Herrmannstraße. Nun wird ein Luxus Neubau ins Visier genommen, Farbe findet den Weg an die Fassade und die Berliner Bullen machen das was sie am besten können. Laut schreien und losrennen. Der Frontblock wankt, aber er fällt nicht, zerfällt in zwei Teile, aber die bleiben zusammen, passen untereinander auf. Der Rest der Berliner Schwarzgekleideten macht, was er am besten kann. Laut schreien und wegrennen. Der ehemalige Frontblock sich muss jetzt auch in Richtung Schillerkiez zurückziehen, sonst ist mensch nur noch mit den Bullen alleine. Ab und zu fliegen Steine und Flaschen, etwas Gerümpel landet auf den engen Straßen des Schillerkiezes, schön auch zu sehen, wie Berliner Greiftrupps von einer Handvoll Genoss*innen mit entsprechender Entschlossenheit in Schach gehalten werden kann. Ein kurzer Ausfall erneut auf die Hermannstraße, wieder gehen Scheiben zu Bruch, noch ein bisschen Krempel auf den Asphalt, dann ist sie vorbei, die Offensive. Das Raus aus der Defensive. Am Abend dann noch eine kleinere Aktion im Prenzlauer Berg. Dann Warten. (5)

Oh wie schön ist Panama

Die Bullen halten sich nicht an die Regeln. Empörung macht sich breit. Als wenn eine Räumung durch die Bullen eine Angelegenheit des Fair Plays darstellt. Natürlich besetzen die Bullen die Straßen rund um das Syndikat schon am Vorabend des angesagten Räumungstages. Womit das eigentlich der Friedensbewegung zugeschriebene Konzept der Sitzblockade im Vorhinein zum Scheitern verurteilt ist. Trotzdem finden sich in der Nacht vor der Räumung noch in der Spitze bis zu 2000 Menschen in den Straßen rund um das Syndikat ein. Stehen an den Absperrungen, stehen im Flutlicht der Bullen, stehen und holen sich irgendwann das erste Bier. Später noch ein bisschen Gerangel an der Herrmannstraße, ein paar Bierflaschen fliegen, die Bullen kassieren locker Leute ein. Am frühen Morgen eine symbolische brennende Barrikade, dann ist das Syndikat Geschichte. Am Nachmittag eine kurzfristige Demo die eigentlich eine Demo der Nachbar*innen sein soll und mit ein paar hundert Leute durch Neukölln zieht.

Dann ist Tag X 21:00. Seit Wochen angekündigt, bundesweit beworben. Fünf Stunden vorher wird der Treffpunkt bekannt gegeben. Am Abend dann vielleicht um die 800 Leute am Richardplatz in Neukölln. Es wird dunkel, der Frontblock läuft los, dreht nach 30 m an der ersten Bullensperren um, kommt 50 m in die nächste Querstraße, trifft auf die nächste Bullenkette. 20 Bullen. Reicht für Berlin. Die Demo steht. Durch die Demo durch stoßen die nächsten Bullen Richtung Frontblock, keiner versucht sie aufzuhalten, jetzt sind 200 Leute von beiden Seiten gekesselt. Es folgen zwei Durchbruchsversuche, beide erfolgreich, über die Hälfte des Frontblocks entkommt dem Kessel. Steht aber im nächsten Kessel. Denn mittlerweile ist praktisch die gesamte Demo in den enge Gassen rund um den Richardplatz gekesselt. Das bleibt auch solange so, bis die Bullen einen auf generös machen, und den Abzug in kleinen Gruppen gestatten. Nach zwei Stunden ist alles vorbei. Die Nacht bleibt ruhig in Berlin. Wahrscheinlich alle am Bier holen. (6)

Nach der Niederlage ist vor der Niederlage – Oder in Berlin: In der Offensive bleiben

Die Berliner Szene gilt jeher als großmäulig und unbeirrbar. Das war schon in den 80igern so. Unvergessen zum Beispiel der unabgesprochene Angriff auf die Bullen in Kleve, der dazu führten, dass der gesamte Konvoi nach Brokdorf (1986) aufgeraucht wurde. (7) Nun konnte mensch den Berliner*innen in früheren Jahren zugute halten, dass hier nicht nur das Herz auf der Zunge getragen wird, sondern hinter den markigen Sprüchen auch eine gewisse Substanz steckte. Diesen Standortvorteil muß mensch nun aber der Berliner Szene aberkennen. Zeugnis davon wurde in den letzten Jahren wirklich zur Genüge abgelegt, unvergessen die aberdutzenden von Aufzügen von Faschisten, die ungehindert durch die Berliner Innenstadt marschieren konnten, schon lange, bevor sie wie die Fische im Wasser in der Corona Querfront mitschwimmen durften.

Das Syndikat also nun Geschichte, das alte Drugstore sowieso, jetzt also das Räumungsurteil für die Liebig 34. Am letzten Samstag, also noch vor diesem Urteil war erneut zu einer “kämpferischen Demo für die bedrohten Projekte” nach Kreuzberg mobilisiert worden. Standesgemäß mit einem Video mit Ausschnitten aus den dreitägigen Straßenschlachten rund um die besetzten Häuser in der Mainzerstraße. Darunter macht es mensch nicht in Berlin. Und da wir Corona Zeiten haben, kann mensch auch auf jeder Demo komplett vermummt herumlaufen, sich dabei großartig fühlen und bekommt nicht, wie sonst üblich bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dafür von den Bullen was auf die Fresse.

Es sollte also “pünktlich und geschlossen” losgehen, mensch sollte “vorbereitet und in Gruppen” am Samstagabend am Wassertorplatz in Kreuzberg erscheinen. Dort erwarteten dann einem aber erstmal jede Menge Bullen, zu meiner Überraschung ein Lautsprecherwagen und dann doch fast eine halbe Stunde Wartezeit. Irgendwann ging es dann los, wie in Berlin üblich mit Pyroshoweinlagen, bevorzugt von Hausdächern und aus Hausprojekten, die Bullen schauten sich das alles an und zogen nach und nach ihr Spalier auf, bis die gesamte Demo als Gefangenentransport ihre Runde durch Kreuzberg drehte, sich dabei brandgefährlich vorkam um am Ende im Kessel von Bullen Gnaden in der Köpenicker sich selber auflöste. Die Bullen hatten ein Einsehen und gewährten freien Abzug in kleinen Gruppen und die Szene feierte sich anschließend in den sozialen Netzwerken selber als wäre Connewitz jetzt ein Stadtteil von Berlin.

Freedom just another world for nothing left to lose

Verlassen nun wir nun aber langsam das vorgegebene Terrain der taktisch-pragmatischen Ausrichtung, denn hier ist einfach kein Blumentopf zu gewinnen. Wer immer noch nicht begriffen hat, welche Machtverhältnisse auf den Berliner Straßen seit Jahren herrschen, oder dies einfach nicht wahrhaben will, dem ist einfach nicht mehr in seiner oder ihrer Borniertheit beizukommen. Die vorsichtig selbstkritische Bilanzierung der Demo am 1.8 und der Tag X 21:00 Geschichte wird tagtäglich übertönt, so lässt sich nicht wirklich neu aufbauen, so wird man keine auswärtigen Genoss*innen nach Berlin mobilisiert bekommen. Wenn alles, was mensch einzubringen hat, Verbalradikalismus à la “In der Offensive bleiben” und der Mythos vergangener Kämpfe in dieser Stadt ist, besteht wenig Hoffnung.

Wenden wir uns deshalb den wirklichen Notwendigkeiten zu. Der realen Situation in dieser Stadt, die aus allen Wunden blutet, dem ganzen Abgefuckten, dem allgegenwärtigen Schmerz, der in der Hybris des Pandemie Ausnahmezustandes aufscheint, den trostlosen Gesichtern hinter den Masken in den Bahnen und Bussen. Begreifen wir, das #staythefhome eine Falle war, dass es dem System nie um die Schwachen und Kranken gegangen ist, dass das Narrativ des Unvermeidlichkeit des Ausnahmezustand auf der einen Seite von der Unfähigkeit der politische Klasse zeugt, mit dieser Situation umgehen zu können und auf der anderen Seite ein Generalmanöver ist in dem sich die Macht für die kommenden sozialen Verwerfungen angesichts der weltweiten Krisen wappnet. Es wird keine Stadt von unten geben, keine solidarischen Nachbarschaften und wenn, dann braucht es dafür als letztes die selbstbezogene Berliner Szene. Es gilt zu bilanzieren, sich schmerzhaft den eigenen historischen Niederlagen zu stellen und zu versuchen, sich ein reales Bild von den Gegenwärtigkeiten zu verschaffen. Die Zeit der Halbherzigkeiten ist vorbei. Es nutzt nichts, darauf hinzuweisen, dass mensch es nicht geschafft habe, ein eigenes Narrativ in der Pandemie zu erarbeiten, um dann zu Geschichten wie “Wer hat der gibt” zu mobilisieren. (8)

Die Räumung der Liebig 14 vor neun Jahren war tagelang DAS Stadtgespräch. Das hatte nicht nur mit dem Level der damaligen Militanz zu tun, die Übrigens überwiegend eine dezentrale war, sondern auch damit, dass sich viele auch außerhalb der Szene in diesem Konflikt wiedergefunden haben, ihn als eine Auseinandersetzung in der “Umkämpften Stadt”, als eine im Kern soziale Auseinandersetzung und nicht als eine identitäre begriffen haben. Das dieser Kampf um die Liebig 14 eingebettet schien in die damaligen Auseinandersetzungen um Miete und Wohnraum. Dies ist heute nicht mehr der Fall, davon zeugt auch die zahlenmäßig überschaubare Beteiligung an den zahlreichen demonstrativen Aktionen zur Verteidigung der bedrohten Szeneprojekte. In einer Stadt wie Berlin, in der innerhalb weniger Stunden 10.000 Menschen zu spontanen Demos zu mobilisieren sind, sind die Größenordnungen der letzten Monate bei den “Interkiezionalen” Demos ein bedenkliches Zeichen. Die Frage ist, ob und wann denn endlich über all das diskutiert werden soll und darf. Oder ob mensch weiter sich in der Szeneblase selbst über die eigene gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit hinweg leugnen will.

Fußnoten:

  1. Eine sehr umfangreiche Sammlung zu Umstrukturierung und Widerstand im Schillerkiez bei NK 44 http://nk44.blogsport.de/informationen/
  2. “Sozialrevolutionäres Stadtentwicklungsprogramm” Berlin 2010 http://urbanconflicts.blogsport.de/texte/stadtentwicklungsprogramm/
  3. “Rauschen”- Beiträge zur ”Umkämpften Stadt” Berlin 2011 http://lesci.blogsport.eu/files/2012/08/LesCI_Circular_No1_Web.pdf
  4. “Die Eigentumsfrage stellen – Stadt Übernehmen” – Strategiepapier aus anarchistischer Sicht Berlin 2013 http://urbanconflicts.blogsport.de/texte/die-eigentumsfrage-stellen-stadt-uebernehmen/
  5. Auswertungspapier zum 1.8.20 https://interkiezionale.noblogs.org/post/2020/08/17/01-08-2020-raus-aus-der-defensive-demo-taktische-auswertung/
  6. Auswertungstext zur 21:00 Mobilisierung Tag X https://interkiezionale.noblogs.org/post/2020/09/01/auswertung-der-syndikat-tag-x-sponti/
  7. Eine sehr ausführliche Dokumentation zu Brokdorf, Kleve 1986 https://www.nadir.org/nadir/initiativ/sanis/archiv/brokdorf/kap_00.htm
  8. “Die fetten Jahre sind vorbei” Positionspapier aus Berlin https://de.indymedia.org/node/102413

Sebastian Lotzer

Erstveröffentlichung am 21. September 2020 auf Sunzi Bingfa

stuttgart zwanzigsiebenundsiebzig – fragmente

grüß ihn von uns. aber verdeckt. und sage ihm noch etwas: die mystifizierung des kollektivs hat zu ihrer voraussetzung die resignation gegenüber der klasse.

christian geissler – kamalatta

über stuttgart gibt es im allgemeinen nicht viel zu berichten. die größte gesellschaftliche aufregung der letzten jahrzehnte waren die pläne zur errichtung eines neuen bahnhofes was zehntausende von braven oder weniger braven schwaben in der stadt, aber auch überall in der diaspora auf die straße trieb und dann in einem finalen showdown im schlosspark endete, wo sich wasserwerfer und kastanien werfende wutbürger eine surreale schlacht lieferten.

nun erscheint es aber, als wenn sich ausgerechnet in diesem talkessel zwei historische linien auf eine ganz merkwürdige art und weise begegnen würden. für eine ganze generation von militanten in europa, ja vielleicht sogar für mehr als nur eine generation, war stuttgart nur in einer doppelnennung bekannt und kenntlich. stuttgart stammheim. der ort an dem den historischen gründern der raf der prozeß gemacht wurde, wo sie eingesperrt und isoliert wurden, wo sie siebenundsiebzig “zu tode kamen”. „stuttgart zwanzigsiebenundsiebzig – fragmente“ weiterlesen

Pandemie Kriegstagebücher – First of May Edition (1.Mai 2020 Berlin)

 „Das Desaster ist ja, dass es wirklich absolut keine Linke gibt….Da ist nur Leere… Da ist nichts, überhaupt nichts mehr.“ 

Nanni Balestrini

Fangen wir damit an, was als einziges überhaupt noch Sinn macht, weil alles jenseits davon, all die verpufften Affekte, all die ohnmächtige Wut, Trauer, all die überbordende Angst sich wie in einer Versuchsanordnung in der völligen Agonie der Isolation und Vereinzelung auflösen, als hätte es sie nicht gegeben. Fangen wir also mit der Hoffnung an, von der es an anderer Stelle heißt, ein Mensch könne einen Monat ohne Essen, eine Woche ohne Trinken, aber keine vier Sekunden ohne sie überleben. Reden wir also von der Hoffnung. 

Reden wir davon, wie sich die trostlosen Straßen Kreuzbergs wieder gefüllt haben, reden wir davon in all die Gesichter zu schauen, in die das Leben zurückgekehrt schien. Reden wir davon, wir wir unser Lächeln wiederfanden, wenn wir alten Genossinnen und Genossen wieder begegneten, reden wir von unserem Zögern, uns wirklich zu umarmen, reden wir von dem Schmerz, den wir verspürten, wenn wir unsere instinktiven Bewegungen aufeinander zu unter Kontrolle brachten und verlegen halbherzig, ja geradezu tollpatschig ungelenke Bewegungen vollzogen. Reden wir von unserer Scham, den Menschen, mit dem wir so viele Gefahren geteilt haben, der uns in vielen Momenten Bruder, Schwester geworden war, nicht von vollem Herzen zu umarmen.  „Pandemie Kriegstagebücher – First of May Edition (1.Mai 2020 Berlin)“ weiterlesen