Post Covid Riot Prime Manifest (3) – Roter Oktober 

Zwanzig  abschließende Anmerkungen zu den gegenwärtigen Konfliktualitäten und Perspektiven.

 

“Es bedeutet zu behaupten, dass wir aufrichtig sind, mit unseren Kinderaugen in dieser nicht zu rechtfertigenden Welt; wenn jemand jemanden angreift, wird jemand jemanden angreifen.“

Manifest der Jugend (1)

Einundvierzig. Es war ein heißer Sommer. Die Taktung der Aufstände machte schwindelig, die Winterpaläste zu erobern erfolgte handstreichartig wie auf Sri Lanka, aber: Es kommt vor, dass Aufstände nicht direkt vom Staat besiegt werden, sondern vielmehr durch den Schock ihres eigenen Sieges. Als die Bewegung ihren eigenen Sieg betrachtete, schien sie wie gelähmt.” (2) Wie bereits im ‘Post Covid Riot Prime Manifest – Next Level’ konstatiert: “Nicht reif für den Bürgerkrieg, örtlich begrenzt, idealisierend in ihrer Verhaftung des Commune Charakters gelang nicht der notwendige Sprung in die neue Qualität der Klassenauseinandersetzung. Aber selbst wenn dieser Sprung zukünftig gelingen wird, wir also real die vorrevolutionäre Qualität erfahren, mit allen Sinnen, stehen wir vor dem Dilemma, wie sich diese neue Qualität ausdrückt, ihre Form findet”. (3) 

Gewisse Kreise in Frankreich, aus denen die Autorenkollektive Tiqquin und das Unsichtbare Komitee entstammen, bereisten verschiedene Orte des militanten Dissens, beschäftigten sich intensiv u.a. mit den Erfahrungen der italienischen Autonomia, bevor sie ihre Analysen und Vorschläge veröffentlichten. Verbleiben wir für einen Augenblick an diesem letztgenannten Ort, versuchen wir noch einmal unseren Fokus auf jene Klassenauseinandersetzung der 70er in Italien zu richten.  „Post Covid Riot Prime Manifest (3) – Roter Oktober “ weiterlesen

Post Covid Riot Prime Manifest (2) – Next Level 

Zwanzig weitere Anmerkungen zu den gegenwärtigen Konfliktualitäten und Perspektiven

Einundzwanzig: Die Imaginäre Partei muss aus dem Schatten treten und real werden. Darunter geht es nicht. Zu dem Faktor der Zeit, auf den wir schon im PCRPM 1 eingegangen sind, die Auslöschung der Welt, wie wir sie kennen, durch die Barbarei, die sich Zivilisation nennt, kommt jetzt die Zuspitzung des innerimperialistischen Krieges, der sich vorerst in der begrenzten Konfrontation in der Ukraine materialisiert, in sich aber die Tendenz und Möglichkeit der Ausweitung und Generalisierung trägt. In der Totalität des Krieges werden viele unserer Waffen aus den Aufständen der letzten 15 Jahre stumpf werden und da die Linke historisch gescheitert und sich im Begriff der Auflösung befindet (indem sie Teil der Macht wird oder gesellschaftlich bedeutungslose Sektiererei) existiert keine reale Kraft, die jenseits von Symbolik (Sabotage, Fahnenflucht, humanitäre Hilfe, hilflose, appellative [Massen]demos) Gegenmacht in dieser historischen Zuspitzung zu konstituieren in der Lage ist. Da der innerimperialistische Krieg, jenseits aller damit verbundenen Grausamkeiten, ganz konkret die Bedingungen der Klassenkampfes signifikant zu unseren Ungunsten verändert und den Horizont des Aufstandes verdeckt, müssen wir jetzt in eine neue Epoche eintreten, unabhängig davon zu wissen, wohin dieser Sprung führen wird. In den Abgrund oder in die Fähigkeit auf dem Niveau der konkreten historischen Situation agieren zu können. 

“Die intensivsten Kämpfe unserer Zeit stehen an einem Abgrund und kehren dann um. Weiter zu gehen würde bedeuten, ins Unbekannte zu springen. Niemand will der erste sein, der springt, um zu sehen, ob er Neuland entdeckt oder sich einfach im freien Fall wiederfindet. Wir wissen noch nicht, wie schließlich eine Situation geschaffen wird, die jedes Umkehren unmöglich macht und in der die Bedingungen selbst schreien: ‘hic Rhodus, hic salta!’“ (1)  „Post Covid Riot Prime Manifest (2) – Next Level “ weiterlesen

POST COVID RIOT PRIME MANIFEST (1)

Zwanzig notwendige Anmerkungen zu den gegenwärtigen Konfliktualitäten und Perspektiven.

Eins: Alle Regierungen sind schlecht. Rechte, linke, ultrarechte,… alle. Sie handeln nicht in unserem Interesse, den Menschen von unten, wie die Zapatisten sagen würden. Covid-19 hat wie in einem Brennglas den grundsätzlichen Antagonismus zwischen denen, die die Welt neu erschaffen müssen, damit es eine Welt überhaupt geben kann, und denen, die in unterschiedlichen Formen an der bestehenden Welt, der Welt des Untergangs festhalten, an ihrer Konsistenz partizipieren, zum Ausdruck gebracht.

Zwei: Die Linken sind in dem Prozess, der notwendig ist, um den Aufstand zu organisieren, keine Verbündeten, von einigen ehrenwerten Ausnahmen abgesehen. Sie haben uns in der Corona-Ära alleine und im Stich gelassen. Sie haben sich den Narrativen der Unvermeidlichkeit des Ausnahmezustandes nicht entgegengestellt, viele haben sogar noch härtere Einschnitte in unsere kollektiven, grundsätzlichen Rechte gefordert. Die weiße, reiche Linke des Westens hat der „Solidarität“ das Wort geredet, in Wahrheit jedoch einen faktischen Schulterschluss mit der Macht vollzogen und dazu aufgerufen, alle grundsätzlichen Klassenkämpfe, alle Manöver des sozialen Krieges von unten einzustellen, ruhen zu lassen. Dazu aufgerufen, der Macht und ihren Anweisungen zu vertrauen, hat sie ihre Propaganda weiter verbreitet und dabei völlig versäumt, eigene grundsätzliche Untersuchungen zur Situation anzustellen. Auch hier gilt: von wenigen ehrenwerten Ausnahmen abgesehen, wie zum Beispiel die Untersuchungen und Überlegungen einiger italienischer Linker zum Ausgangspunkt der Corona-Pandemie in Norditalien. (1)  „POST COVID RIOT PRIME MANIFEST (1)“ weiterlesen

Endgames (5)

Ausgestorbene Straßen, ein paar Schatten, die um die Ecke huschen. Kreisten im Frühjahr 2020 die Bullen noch im Minutentakt durch Kreuzberg um die erlassenen “Kontaktbeschränkungen” zu kontrollieren, reichen jetzt 2 kleine Checkpoints am Kotti und in der Wiener um die verfügte Ausgangssperre zu überwachen. Ein Jahr Konditionierung hat die alten Tugenden des deutschen Untertans wieder an die kollektive Bewusstseinsoberfläche gespült, geschichtsvergessen schwenkt die Linke die weiße Fahne im Wind, während der Rechtsnachfolgestaat des Deutschen Reiches kollektive Einschließungsmaßnahmen exekutiert. 

Irgendwo demonstrieren ein paar Leute von ‘Ums Ganze’, von denen man seit einem Jahr nichts mehr gehört hat und die in ihrem einzigen grundsätzlichen Beitrag zum Pandemie Ausnahmezustand vor allem neben den üblichen Textbausteinen mit jenem zwanghaften Humorgerede vom “Beatmungsweltmeister Deutschland” auffielen, gemeinsam mit den misanthropischen ZeroCovid Freaks “gegen Ausgangssperren” und für einen “solidarischen Lockdown”, was ja an und für sich schon ein Widerspruch in sich ist.  „Endgames (5)“ weiterlesen

Nightshift 2 – Welche Farbe hat die Nacht

„Das von der Regierung festgelegte Kriterium zur Bestimmung der Farbe unseres Lebens sind 50 Fälle pro 100.000 Menschen pro Woche. Statistisch gesehen ist dies eine extrem niedrige Risikorate von 0,5 Promille. Wie ist es möglich, dass Menschen für ein Risiko, das selbst auf das ganze Jahr hochgerechnet gering bleibt, bereit sind, nicht nur ihre Freiheit aufzugeben, sondern auch alles, was das Leben lebenswert macht: den Kontakt zu anderen Menschen, den Blick in ihre Gesichter, die Erinnerung und die gemeinsam gefeierten Feste? Herr Wärter, welche Farbe hat die Nacht?“

Giorgio Agamben 25. Januar 2021

Nach Tunesien nun die Niederlande, kaum sind die Riots der abgehängte Jugendlichen dort beendet, steht das Rathaus von Tripoli in Flammen. Im Wochentakt fegen die Aufstände durch die brave new world des Pandemie Ausnahmezustand. Man sucht nach Erklärungen. Wenn überhaupt. Rassismus, Polizeigewalt, soziale Missstände, Armut, Hunger… Dabei wäre doch die einzige eigentlich wirklich zu stellende Frage nur, warum nach fast einem Jahr Ausnahmezustand in weiten Teilen der Welt eben jene nicht endgültig komplett in Flammen steht? Warum immer noch so viele den Anordnungen des Empires Folge leisten, wenn auch etliche immer widerwilliger… Die Korruption und Unfähigkeit der politischen Klasse des Libanon ist so offensichtlich, dass selbst die westlichen Medien voller Verständnis für die gewaltsame Revolte der Geknechteten und Unterdrückten sind. Der Rauchpilz der Explosion im Hafen von Beirut, der so fatal an die atomare Apokalypse erinnerte, hat sich in die historische Netzhaut der Menschheitsgeschichte gebrannt.  „Nightshift 2 – Welche Farbe hat die Nacht“ weiterlesen

Der aufkommende Pandemie Faschismus – Splitter der Dissonanz

“Liewer düd aß Slaawe”

Pandemie Magie

In jedem Berliner Park eine Wanne. Die Besatzungen beäugen misstrauisch jede Aktivität Derjenigen, die sich in die Frühlingssonne gewagt haben. Drei Fußball spielende Kinder sind ein Grund einzuschreiten. Wir haben schon vor Jahren gelernt, ab Drei ist man eine terroristische Vereinigung. Nun also auch die Kinder. Völlig willkürliche Größenordnungen werden verkündet und durchgesetzt. Wir erinnern uns, noch vor ein paar Wochen versammelten sich Zehntausende in den Fußballstadien, da waren schon Tausende in China an dem Virus gestorben, der jetzt als Begründung für jegliche Absurdität des Pandemie Ausnahmezustandes herhalten muss. Drei Kinder sind eine Gefahr, fünfzig Menschen in einen S Bahn Waggon auf dem Weg zu gesellschaftlich unsinniger Arbeit sind kein Problem.  

Überhaupt, diese Magie der Zahlen, wie von Zauberhand verändern sich fast täglich die Bezugsgrößen. Zuerst wurden alle Versammlungen über 1000 Menschen verboten, dann alle über 100. Und natürlich betraf dies auch alle Demonstrationen. Dabei hätte man sich die Mühe sparen könne, eine in Ohnmacht und Unterwerfung geübte deutsche Linke sagte schon von sich alle Zusammenkünfte, selbst die der harmlosesten Natur ab. Und der kleine Rest, der abweichend davon sich nicht unterwerfen will, dem schickt man dann in Berlin eben die neue Präsenzeinheit in den ‘Nordkiez’ auf den Hals. Aber kommen wir zu der Magie der Zahlen zurück. Kommen wir überhaupt zu der gesamten Magie zurück, die die politische Klasse tagtäglich zu unserer Unterhaltung aus dem Hut zaubert. So als habe sie jahrelang nur für diese Momente der Magie geübt und gelebt. (Spoiler: Sie hat es. Seit Jahrzehnten finden Notstandsübungen unter wechselnden Szenarien statt.) „Der aufkommende Pandemie Faschismus – Splitter der Dissonanz“ weiterlesen

G20 Hamburg – Fragmentarische Anmerkungen zu Repression, Autonome und Atomisierung

Der Knast ist ein einsamer Ort. Aber auch ein Ort, an dem es möglich ist, neue Verbindungen einzugehen, dem Allzubekannten neue Erfahrungen hinzuzufügen. Verschwörungen aus der Taufe zu heben, sich existentiell ins Verhältnis zum Bestehenden zu setzen. Für manch einen, der anpolitisiert in jungen Jahren Bekanntschaft mit diesem Ort der Reglementierung machte, wohnte in der Folge diesem Ort kein existenzieller Schrecken mehr inne, griff der Abschreckungsgedanke des Systems künftig ins Leere.

In früheren Jahren war es für die jeweilige Generation der Bewegungszyklen ein selbstverständlich einkalkuliertes Risiko eine (im zumindestens überschaubaren zeitlichen Rahmen) gewisse Zeit der Inhaftierung einzukalkulieren. Fast Jeder und Jede hatte irgendwelche Verfahren zu laufen, die Gerichtssäle waren Orten der permanenten Agitation und Versammlung. Kaum ein Prozess, bei dem nicht der Saal (gegen handfesten Widerstand) durch im Gericht stationierten Bereitschaftsbullen geräumt wurde. Jede Stadt hatte ihre Knastgruppe, in den Großstädten gab es davon gleich mindestens ein halbes Dutzend.

Wenn nun dieser Tage in Hamburg des „Jahrestages“ der Aktionen gegen den G20 Gipfel mit diversen Aktionen und Veranstaltungen „gedacht“ wird (1), steht u.a. neben dem obligatorischen „Rave“ auch ein neudeutsch „Cornern“ genannte Herumhängen mit Bier/Mate an. Zum Ausklang dieser Tage wird es dann auch eine Knastkundgebung geben. Was das Zahlenverhältnis der jeweiligen Beteiligungen betrifft, so ist wohl mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass der Besuch der Knastkundgebung im Vergleich eher bescheiden ausfallen wird. An den bisherigen allmonatlichen Knastkundgebungen seit #noG20 nahmen im Allgemeinen ein paar Dutzend bis um die hundert Leute teil. Als zu einem internationalen Treffen Freund*innen, Familienangehörige und Gefährt*innen der inhaftierten Internationalisten aus halb Europa anreiste, gelang es einmalig um die dreihundert Leute vor die Knastmauern – bzw. Zäune zu mobilisieren.  „G20 Hamburg – Fragmentarische Anmerkungen zu Repression, Autonome und Atomisierung“ weiterlesen