Boy, don’t you worry, you’ll find yourself
Follow your heart and nothing else
And you can do this, oh, baby, if you try
All that I want for you, my son, is to be satisfied
Lynyrd Skynyrd

Ein Jahr warten, ausharren, den Atem anhalten bis die Lungen fast bersten. Ein Jahr – nur ein einziger Herzschlag im Rhythmus des ewigen Ansturms der historischen Partei. Aber all die Nächte, in denen der Schlaf nicht kommen wollte, all die grauen, sinnlosen Tage, das mürbe Tagwerk, die falschen und verlogenen Träume und Versprechen. Und diese Ungeduld, die Anspannung, die Nervosität, die keine Entladung finden. Der Zweifel, der sich bis tief in das Mark der Zuversichtlichsten gräbt. Unsere Sache verraten und verloren, für immer? All die Opfer der letzten 15 Jahre umsonst, alle Hoffnungen genarrt? Und kein theoretischer Begriff der Agonie des aufständischen Prozesses, von einer praktischen Antwort ganz zu schweigen. Nur das Grauen des Infernos der kapitalistischen Todesmaschinerie, die alles verschlingt, Wertschöpfung bis in den suizidalen Weltkrieg um die Hegemonie… Was, wenn dieser einzige Herzschlag, dieses dumpfe, kurze Pochen bis in die Schläfen, doch der letzte gewesen – nur noch verzweifelte Hungersnöte und riesige Flüchtlingskarawanen, wie sich die Bilder aus Yarmouk und Gaza gleichen – erschöpfte, ausgemergelte Gestalten, die mit ihren letzten Habseligkeiten in der Hand durch die zerbombten Häuserschluchten ziehen, und doch nur Ouvertüre für die kommenden Flüchtlingstrecks der Abermillionen, wenn die Seen einfach verdampfen, die Felder vergiftet, und das Dauerfeuer aus den schwarzen SUVs alle niedermäht, die bis zuletzt ausgeharrt haben. Über all dem die schwarzen Drohnen, überall diese scheiß Drohnen, wie Aasgeier am Himmel kreisend. Doch in den dunkelsten Stunden des Zweifels und der Verzweiflung finden Jene, denen zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte keine Zukunft, und sei sie nur so vage umrissen, vergönnt schien, zu sich selbst und ihrer Macht.
So wie der Tod von Mohammed Bouazizi im Dezember 2010 den gesamten Nahen Osten und große Teile Afrikas in Brand setzte, entfachte der Tod von Affan Kurniawan, der im August dieses Jahres in Jakarta von einem gepanzerten Sondereinsatzwagen der Bullen bei Protesten in Jakarta überrollt und getötet wurde, ein Feuer, dass sich von Indonesien aus über Nepal, die Philippinen, Madagaskar, Marokko bis in die Slums und indigenen Siedlungsgebiete von Peru und Ecuador frisst. Wo die Wut und organisierte Militanz der primera línea vor ein paar Jahren noch an ihre Grenzen stieß, jagt die Gen Z jetzt die korrupten Politikergestalten durch die Straßen Kathmandus, brennt die Villen der Politikerklasse in Indonesien mit der gleichen Beiläufigkeit nieder, wie HQs der Bullen und den Präsidentenpalast Nepals.
“Das erste davon, die historische Partei, ist auch das umfangreichste und umfasst die Summe der scheinbar spontanen Formen massenhafter Unruhen, die immer wieder aus Kämpfen um die Lebensbedingungen hervorgehen. Es wird im Singular gesprochen: Es gibt eine einzige historische Partei, die unter der kapitalistischen Gesellschaft in allen Regionen und Epochen brodelt, obwohl sie nur in ihrem Aufschwung sichtbar wird. Marx bezeichnet sie auch als „Partei der Anarchie”, da sie von der „Partei der Ordnung”, die sie zu unterdrücken versucht, und von der „Anti-Partei”, die sie vollständig ausschließen will, als solche behandelt wird.”
Phil A. Neel – Theorie der Partei
Das unzweifelhaft Bemerkenswerteste der Erhebungen der Gen Z ist dass dieses Bewegungen scheinbar aus dem Nichts auftauchen, sich innerhalb von nur wenigen Tagen, manchmal nur Stunden, von Protesten und Demonstrationen in Riots und teilweise sogar in einen regelrechten Aufstand verwandeln, sich ineinander sofort und unmittelbar wiedererkennen, spontan unter der gleichen Flagge segeln, da wo die historische Linke komplett versagt hat. Am Ende also beerbt ein Bund der Piraten den Bund der Kommunarden. Und keine Repression, kein Blutbad, und davon gab es in den letzten Wochen einige, sind in der Lage, diese Erhebung zu stoppen. Pure Antipolitik in Ektase.

Wie immer hinkt der ‘Maschinenraum der Revolution’ mit seinen Begrifflichkeiten und theoretischen Versatzstücken der realen Entwicklung um Meilen hinterher. Monatelanges Schweigen, die Weigerung, die Krise, die mit dem Ende der Erhebung in Frankreich im Sommer letzten Jahres ihren Anfang nahm, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn sie zu theoretisieren, fand man sich dann doch in den Milieus wieder, denen doch um jeden Preis zu fliehen sei – und von dem vor allem zu vermeiden sei, selbst zu einem zu werden, wie die Gefährten aus Frankreich schon vor vielen Jahren schrieben. In Ermangelung zutreffender Begrifflichkeit von der Gegenwärtigkeit der Epoche schaltete der ‘Maschinenraum’ einfach drei Gänge runter, und anstatt die Frage des revolutionären Horizonts endlich konsequent in Angriff zu nehmen, die Atempause der Aufstände dankbar annehmend als willkommene Gelegenheit, gemeinsam die überfällige theoretische Unterfütterung der weltweiten aufständischen Suchbewegungen zu betreiben, folgte der Rückfall in alte identitäre Muster. Die Palästina – Solidaritätsbewegung wurde zum Fluchtpunkt aller Überlegungenen und Anstrengungen, sie musste die schmerzhafte Lücke füllen, es scheint, als habe es die Debatten der letzten 4 Dekaden über die Fehler der Unterstützung der antikolonialen und antiimperialistischen Befreiungsbewegungen nie gegeben. Und wenn man diesen Bewegungen zumindestens ansatzweise programmatisch ‘sozialistisches Gedankengut’ (die Tendenz zur ‘Aufhebung aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes, verächtliches Wesen ist’) zubilligen konnte, verklärte man jetzt den Todeskult eines religiösfaschistischen Bündnisses, applaudierte dem Projekt einer ‘nationalen Befreiung’ völlig losgelöst von nur dem geringsten Anspruch, eine materialistische Analyse des Konfliktes in Nahost zu leisten. Am Ende blieb dann nur die nackte Moral und der Wettbewerb darum, wer die moralischste Partei repräsentiere.
Spätestens die Beobachtung, dass sich diese Solidaritätsbewegung fast ausschließlich in den Ländern des reichen Westens abspielte, hätte dazu dienen können, einen Schritt zurück zu treten, und jenseits des Ekels über das massenhafte Abschlachten von unschuldigen Menschen die Frage aufwerfen, was denn die reale revolutionäre Perspektive für die Menschen in der Region sein könnte, anstatt sich den Vertretern eines kleinbürgerlichen Postkolonialismus an den Hals zu werfen, die völlig losgelöst von dem realen Klassenantagonismus pure ahistorische Identitätspolitik propagieren. Aber wie Emilio Quadrelli zutreffend schrieb, wird die formale Partei nur mitten im Herzen der historischen Partei und aus ihrer Mitte geboren, alles andere sind nur intellektuelle Fantasmen.
Nun aber ist die ‘letzte Generation’ in die Arena der Geschichte getreten, nicht mit Appellen, Puddingbechern und Sekundenkleber, sondern mit entfesselter Wucht und Militanz. In der Lage, Regierungen innerhalb weniger Tage zu stürzen, Rache an den Verantwortlichen für die Massaker zu nehmen. Wie italienische Gefährten schon anlässlich der Riots in der französischen Vorstädten schrieben, “noch sind die Aufstände ohne Programm, aber wenn, dann ist dies das Programm der zukünftigen revolutionären Partei”.
wird fortgesetzt