
Das System ist am Ende. Nicht sein sozialer Antagonismus. Deshalb diese Nebelkerzen auf dem gesellschaftlichen Schlachtfeld, Manipulationen bis in die tiefsten Schichten des menschlichen Unterbewusstseins. Jede Verwertungskrise schärft schlagartig den Blick auf den revolutionären Horizont, sofort setzt ein Trommelfeuer ein, um Hoheit über den diskursiven Raum im Vakuum der kollabierenden Maschinenräume zu erlangen.
‘Das Ende der Geschichte’ besetzte den politischen Raum, der im Gefolge des staatskapitalitischen Systemkrise aufbrach, während Kohl und Herrhausen die ersten waren, die Milliarden in die Warschauer Vertragsstaaten pumpten, der eine erkaufte Schritt für Schritt die Wiedervereinigung, der andere verstand frühzeitig dass es darum ging sich die besten Positionen für den bevorstehenden Ausverkauf zu sichern. Doch es war auch ein Raum für revolutionäre Veränderungen, der entstand, es war nicht ausgemacht, wohin die Reise gehen würde, über Jahre fragile Machtverhältnisse, die große Kundgebung auf dem Alexanderplatz im November 1989 hatte nicht die Wiedervereinigung auf der Agenda, in den Apparaten der Warschauer Vertragsstaaten tobten heftige Machtkämpfe, noch 1991 versuchten führende Funktionäre der KPDSU einen Militärputsch, der nur knapp scheiterte. Im nachhinein werden diese ganzen hochkomplexen Prozesse einer glättenden Geschichtsschreibung unterworfen und da die historische Linke ideologisch in der Falle saß und mit dem Ende des Staatskapitalismus als bedeutender gesellschaftlicher Akteur mit unterging (eine Tatsache, deren Existenz sie sich bis heute weigert anzuerkennen), gibt es de facto nur die Geschichtsschreibung der Sieger.
Als der Systemcrash 2008 kam, gab es keinerlei organisatorische und theoretische Basis mehr, um in dieser Krise den revolutionären Horizont aufzureißen, obwohl er zum Greifen nahe war. Das Proletariat in Südeuropa und den USA wurde ausgeblutet, in Teilen Afrikas grassierten Hungersnöte. Die nihilistischen Aufstände, die mit der Revolte im Maghreb, dem Nahen Osten und Teilen Afrikas 2010/2011 begannen und sich bis heute fortsetzen, müssen als Antwort der historischen Partei auf diese Erfahrung verstanden werden.
Der weltweite Corona Ausnahmezustand war die Generalstabsübung der Konterrevolution im Vorfeld der generalisierten Tendenz zum Krieg. Der Widerstand dagegen, von den Aufständen der Wanderarbeiter auf dem indischen Subkontinent über die Revolten in den französischen Banlieues und in den italienischen Knästen bis hin zu der in wenigen Tage sich generalisierenden Rebellion in China gegen das totalitäre Zero Covid Regime, das infolge dieser Revolte in sich zusammenbrach, war der instinktive Reflex der historischen Partei, die noch nicht wirklich die Zusammenhänge verstand, aber erahnte worauf das ganze hinauslaufen würde. Nun trommelt das Kapital für den großen Krieg. Die Etats des Westens für Militärausgaben werden sich innerhalb von wenigen Jahren mehr als verdoppeln, die Wehrpflicht wird wieder eingeführt, die alten Proletarier sollen schuften, bis sie tot umfallen oder zu Zwangsdiensten verpflichtet werden. Riesige Sondervermögen für Infrastruktur finanzieren den Ausbau der Infrastruktur für den großen Krieg, die TikTok Linke stimmt dem ebenso staatstragend zu wie dem Maßnahmenpaket, dass weite Teilen des Proletariats weiter in die Altersarmut treibt.
Aber der Vorabend des Krieges ist der Vorabend der Revolution. Nach 1917 folgt der nächste historische Ansturm, das sinnlose Gemetzel in den Schützengräben des ersten Weltkrieges zeugte eine Generation von Revolutionären, die Aufständischen der Gen Z wissen dass sie ihrer Zukunft schon beraubt werden sollen, bevor diese überhaupt beginnt, der aufständische Nihilismus repräsentiert die Liebe zum Leben. Tang Ping, die große, grundsätzliche Verweigerung ist der friedliche große Bruder, die große, friedliche Schwester des aufständischen Nihilismus. Aber sie müssen zusammen gedacht und begriffen werden. Desertation und die Waffen des Krieges gegen die Machthaber zu richten ist Teil eines Prozesses. Die ökologische Katastrophe, der Krieg, die totalitäre Kontrolle, die Verzahnung der Welt der KI mit dem menschlichen Geist sind ebenso real wie die Möglichkeit, das alles zu beenden. Nicht als historischer Determinismus der Orthodoxie des Marxismus, sondern als realer Handlungsraum in der krisenhaften Zuspitzung der Verwertungskrise. Das Problem ist nicht, dass zu wenige Erfahrungen in den aufständischen Suchbewegungen der letzten beiden Dekaden gemacht wurden, das Problem ist, dass zu wenig revolutionäre Theorie daraus generiert wurde. Revolutionäre Theorie hält sich nicht auf an identitären Projekten, die von irgendwelchen Bubbles generiert werden, sie dient nicht der akademischen Karriere, sie legitimiert nicht die Gründungsmythen irrelevanter formaler Parteien, sie ist die wichtigste Waffe im sozialen Bürgerkrieg. Der kommt. So oder so. Wenn er nicht von unten eröffnet werden wird, dann eben von oben. Eine Wahl wird es nicht geben.
