„Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm“

Wenigstens keine neue “Offensive”, kein “Unregierbar”, keine vollmundig verbalradikalen Ankündigungen, stattdessen nun also bunt und divers, der 1. Mai in Berlin soll “familienfreundlich” werden, das Schweinesystem hat versagt, weil es keinen “echten Lockdown” gestemmt bekommen hat, bald kommt die revolutionäre Ausgangssperre. Gruppierungen, die sich nicht zu schade waren, mit Grünen, Linke und SPD Menschenketten zu bilden, verkünden nun mit stolzgeschwellter Brust die Übernahme des Frontblocks. Der 1. Mai in seiner Essenz: Einmal im Jahr die eigene gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit vergessen machen, eine Demo mit 10.000 Menschen anführen. Selber unfähig Geschichte zu schreiben, bietet das Event 1. Mai seit vielen Jahren Gelegenheit sich im historischen Kontext herausputzen zu können. Eitle Selbstgefälligkeit, der die dumpfe Masse, die hinterher latscht, völlig egal ist, so wie der dumpfen Masse selber, die mit dem Wegebier in der Hand irgendwelchen roten oder was auch immer für Fahnen hinterher latscht, eigentlich auch die genauen Bestimmungen des Ganzen ziemlich egal sind. Mensch könnte am 1. Mai auch für niedrige Bierpreise oder kostenlose Bartrasuren demonstrieren, es kämen trotzdem jene 10.000 die Teil des fifteen-minutes-fame framing sein wollen.

Das zweite Jahr in Folge Corona bedingt kein Ballermann Fest zwischen Oranienplatz und Schlesisches Tor. Das war es schon mit den guten Nachrichten. Waren es im letzten Jahr nur 2000, 3000 Leute, die trotz Pandemie nach Kreuzberg zum 1. Mai kamen, wussten die offensichtlich wenigstens zum großen Teil, warum sie da waren. Keine pseudoradikale Runde mit Hassi unangemeldet durchs Myfest, wobei eh immer die Hälfte inmitten des Ballermannpublikums verloren ging. Kein überdimensionierter Truck, der in ohrenbetäubender Lautstärke die immer gleichen Phrasen und Parolen unters Volk brachte. Kein pseudomilitanter Frontblock, der Jahr für Jahr Prügel bezog, wenn die Bullen die Zeit für gekommen hielten. Stattdessen zog mensch 2020 kreuz und quer durch Kreuzberg, die Bullen kamen das erste Mal seit Jahren ins Schwitzen und es brauchte keine grossen militanten Auseinandersetzungen, um das Gefühl zu bekommen, heute sei es am 1. Mai mal wirklich um etwas gegangen und an diesem Abend fand dann auch das Lächeln zurück auf den Heinrichplatz. Aber was zählt schon ein Lächeln im Geschacher der Bündnisse und Politgruppen um die Zielgruppe. „„Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm““ weiterlesen

Endgames (4)

Während Merkel bei der Anne Will Audienz von “notwendigen” Ausgangssperren spricht, um sich dann sofort zu verbessern, “Ausgangsbeschränkungen”, der soziale Krieg kommt maskiert daher, titelt die taz, die ja mal als Reaktion auf die Totalität des Staates im “deutschen Herbst”, also als Reaktion auf die Konfrontation zwischen Stadtguerilla und der BRD ‘77, den Toten von Stammheim, gegründet wurde, in ihrem Hamburger Lokalteil gewollt bagatellisierend: “Pyjamapartys verboten”. Und während in Hamburg noch ZeroCovid gegen sich selbst demonstriert, ist der ehemalige Bundesinnenminister de Maizière schon weiter, er verlangt eine Änderung des Grundgesetzes, um in “zukünftigen Krisen” “ schnell “reagieren zu können”. In “solchen Krisen” soll dann ein “Krisenstab” mit “neuen Durchgriffsrechten” und “Weisungsrechten gegenüber den (Bundes)Ländern” eingesetzt werden. Auch die Armee soll als erweiterte Polizei unter deren Kommando z.B. “Gebäude und Gebiete sichern”.  „Endgames (4)“ weiterlesen

Endgames (3)

Nun also ein paar durchsichtige Bauernopfer, Figuren aus der zweiten und dritten Reihe, die bei der Beschaffung von “Masken” eigentlich nur das systemimmanente Prinzip der Gewinnmitnahme realisiert haben. Das eigentliche politische Personal und ihr Narrativ bleiben unangetastet. Nach tausenden von Toten in den Alten- und Pflegeheimen in diesem Winter. Als im Frühjahr 2020 kein Ausnahmezustand, kein “Lockdown” in Schweden ausgerufen wurde und es dort in den Alten- und Pflegeheimen zu vielen Toten infolge der Corona Pandemie kam, war hierzulande die moralische Entrüstung groß. Von ganz linksaußen über Ditfurth bis ins Herz des politischen Apparates schallte es “Mörder”, jetzt sind die vielen Toten hierzulande zwar einige kritische Nachfragen wert, aber mehr auch nicht. 

Die “linksradikale” Blase arbeitet sich an den Querfront Ansammlungen ab, jeder bescheuerte Autokorso bekommt mehr Aufmerksamkeit als die Tatsache, dass der Staatsapparat es trotz eines halben Jahres Vorlaufs und der Verfügbarkeit von verlässlichen Schnelltest es nicht geschafft oder für nötig befunden hat, eine engmaschige Teststrategie in den Einrichtungen zu implantieren, die viele Einträge und damit viele Tote verhindert hätte. 

Und während wir hier nun in den fünften Monat der bedingten Wohnhaft eintreten, “Verweilverbote” an der frischen Luft, Maskenpflicht in Grünanlagen und ähnliche völlig sinnfreie und autoritären Eingriffe in das gesellschaftliche Leben zur “neuen Normalität” gehören, geniesst die Berichterstattung über Schweden Seltenheitswert oder es werden realitätsverdrehende Berichte lanciert, “die Schweden seien jetzt auch zur Vernunft gekommen” und auf den “europäischen Weg” eingeschwenkt. In Wirklichkeit liegt die Übersterblichkeit in Schweden für 2020 nicht signifikant höher als hierzulande, die Anzahl der Menschen die an Covid19 sterben liegt derzeit bezogen auf die Einwohnerzahl in dem Bereich, in dem sich viel europäische Länder bewegen, so auch die BRD. Einige Länder mit sehr restriktiven Maßnahmen haben sogar wesentlich mehr Tote zu beklagen bezogen auf die jeweilige Einwohnerzahl.  „Endgames (3)“ weiterlesen

Nightshift 2 – Welche Farbe hat die Nacht

„Das von der Regierung festgelegte Kriterium zur Bestimmung der Farbe unseres Lebens sind 50 Fälle pro 100.000 Menschen pro Woche. Statistisch gesehen ist dies eine extrem niedrige Risikorate von 0,5 Promille. Wie ist es möglich, dass Menschen für ein Risiko, das selbst auf das ganze Jahr hochgerechnet gering bleibt, bereit sind, nicht nur ihre Freiheit aufzugeben, sondern auch alles, was das Leben lebenswert macht: den Kontakt zu anderen Menschen, den Blick in ihre Gesichter, die Erinnerung und die gemeinsam gefeierten Feste? Herr Wärter, welche Farbe hat die Nacht?“

Giorgio Agamben 25. Januar 2021

Nach Tunesien nun die Niederlande, kaum sind die Riots der abgehängte Jugendlichen dort beendet, steht das Rathaus von Tripoli in Flammen. Im Wochentakt fegen die Aufstände durch die brave new world des Pandemie Ausnahmezustand. Man sucht nach Erklärungen. Wenn überhaupt. Rassismus, Polizeigewalt, soziale Missstände, Armut, Hunger… Dabei wäre doch die einzige eigentlich wirklich zu stellende Frage nur, warum nach fast einem Jahr Ausnahmezustand in weiten Teilen der Welt eben jene nicht endgültig komplett in Flammen steht? Warum immer noch so viele den Anordnungen des Empires Folge leisten, wenn auch etliche immer widerwilliger… Die Korruption und Unfähigkeit der politischen Klasse des Libanon ist so offensichtlich, dass selbst die westlichen Medien voller Verständnis für die gewaltsame Revolte der Geknechteten und Unterdrückten sind. Der Rauchpilz der Explosion im Hafen von Beirut, der so fatal an die atomare Apokalypse erinnerte, hat sich in die historische Netzhaut der Menschheitsgeschichte gebrannt.  „Nightshift 2 – Welche Farbe hat die Nacht“ weiterlesen

Endgames (2)

Did they get you to trade

Your heroes for ghosts?

Hot ashes for trees?

Hot air for a cool breeze?

Cold comfort for change?

Did you exchange

A walk on part in the war

For a lead role in a cage?

Die wesentliche Frage dieser Epoche ist nicht mehr, was in der Realität passiert, sondern wer die Macht hat, zu entscheiden, welche Erzählungen über die Realitäten dominieren und in welcher Form darüber kommuniziert wird. Insofern ist es wichtig zu begreifen, dass wir seit einem Jahr Zeitzeugen eines äußerst gelungenen Coup d’État sind. 

Wenn jegliche Manifestierung gelebten Lebens, also menschliche Kontakte, körperliche Nähe, gefeierte Feste, la dolce vita… unter Generalverdacht stehen, wenn Depressionen, Suizide, kindliche Verhaltensstörungen, Einsamkeit, Verzweiflung, Essstörungen, Suchtverhalten, Armut… uniso im allgemeinen Sprachgebrauch, selbst unter den kritischen Stimmen zum derzeitigen Ausnahmezustand, als “Kollateralschäden” bezeichnet werden (über die man reden und die man abwägen müsse), zeigt sich wie sehr das Narrativ, “wir befinden uns im Krieg gegen das Virus” bereits allgemein verinnerlicht wurde. Wobei dabei sowohl “der Krieg” als auch das “Wir” Ausdruck des geglückten Coup d’ Ètat sind.  „Endgames (2)“ weiterlesen

Nightshift 1

It will be a long night.

It is good, on the night shift, oooh

You found another home

I know that you’re not alone on the night shift

Vier Abende und Nächte. Verschärfte Ausgangssperre. Zehn Jahre, nachdem Muḥammad al-Būʿazīzī sich und das was die weiße Welt die arabische Welt nennt, in Brand gesetzt hat. Pandemie Ausgangssperre. Niemand hat ihnen das abgekauft. Die Angehörigen Jener, die vor 10 Jahren gefallen sind, haben sich wie jedes Jahr in der Innenstadt von Tunis versammelt, um zu gedenken, um dafür zu sorgen dass die Toten nicht vergessen werden, um an alles zu erinnern, um daran zu erinnern, dass sich nichts geändert hat. Man hat ihnen Pfefferspray in die Gesichter gejagt, so als wenn da eh schon nichts als Tränen wären.

Seit der ersten Nacht der verschärften Ausgangssperre brennen auf den Straßen der Arbeiter*innenviertel Tunesiens wieder die Autoreifen, fliegen Steine… “Das ganze System muss verschwinden … Wir werden auf die Straße zurückkehren und unsere Rechte und unsere Würde zurückgewinnen, die eine korrupte Elite nach der Revolution an sich gerissen hat.“… Eine Stimme von vielen, hier denkt fast jede und jeder so. Regierungsgebäude werden mit Steinen und Brandflaschen bedacht. Die Vororte von Tunis, Kasserine, Gafsa, Sousse, Monastir, die gleichen Namen, die gleichen Orte wie vor zehn Jahren. Nichts hat sich geändert. Alles muss sich ändern. Die Regierung hat die Armee und die Nationalgarde mobilisiert, Radpanzer rollen durch die Straßen, werden von den Dächern aus mit Molotows eingedeckt. Über 700 Jugendliche sind mittlerweile festgenommen worden, vor dem Justizpalast von Tunis stehen ihre Familien und fordern ihre Freilassung. Mittlerweile wachsen die täglichen Demos in der Hauptstadt an, auf der geschichtsträchtigen Avenue Habib Bourguiba sammeln sich die Menschen: “Das Volk will den Sturz des Regimes”. Immer noch. Eine Ansprache des Premierministers im TV: “Die Klagen und Anliegen der Jugend sind berechtigt, wir haben sie vernommen, aber wir werden mit Härte gegen jegliche Gewalt vorgehen.” Es ist, als wenn Ben Ali niemals gestürzt worden wäre.

Das Jahr hat erst begonnen und schon erscheint es, als wenn die Welt nur für ein paar Monate (scheinbar) die Luft angehalten hätte. In Guatemala drängt eine neue Karawane der Hoffnung in Richtung USA, in Indien sind seit Wochen Millionen von Bauern auf den Straßen, in Frankreich fliegen wieder jedes Wochenende die Tränengaskanister durch die Luft. Und dies sind nur Bruchstücke jener Sequenzen, die derzeit die Zuspitzung der sozialen Konfliktualität trotz oder gerade wegen des Corona Ausnahmezustand wieder auf die Tagesordnung setzen. „Nightshift 1“ weiterlesen

Endgames (1)

Schließen wir die Pandemie Kriegstagebücher (1) ab. Nicht weil die Pandemie vorbei wäre, oder die diskursive und gesellschaftliche Entwicklung die sich seit dem März 2020 ereignet hat, nicht weitere Worte wert wäre. Sondern weil es langsam notwendig wird, je länger und entgrenzter der Faschisierungsprozeß Staat und Gesellschaft durchzieht, sich von dem abzuwenden, was nur als Ouvertüre begriffen werden kann, für das was uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bevorsteht. Wenn wir also über den Pandemie Faschismus, der in den staatlichen Maßnahmen und der gesellschaftlichen Reaktion eingeschrieben ist, noch weiter sprechen, dann ab sofort nur noch um sich einen Begriff von den Notwendigkeiten und Bedingungen zukünftiger sozialer Konfliktualität zu verschaffen. Und wenn wir das sagen, reden wir zugleich von dem was es in den Fokus zu nehmen gilt, den radikalen Umschlag in der Qualität der Bestimmung des Kampfterrains durch unsere Todfeinde, die eigentlich mit dem Rücken an der Wand stehen, wobei ihre historischen Gegner, jetzt, wo es endlich so weit ist, zu blind sind, das zu sehen, zu begreifen, während sie sonst bei jeder Krise das nahe Ende des Empires prophezeit haben, zuletzt 2008 und am Beginn der Pandemie erneut. Immer wieder wurde davon gesprochen, dass es “danach” alles anders sei, die Zeit “jetzt reif” sei und ähnliches. Es gibt aber keine Reife der Zeit, keine objektiven Bedingungen. “Bifo” sagte kürzlich: “Der Kapitalismus ist noch an der Macht, er ist  aber bereits tot”. Wahrscheinlich ist dem so. Vielleicht hat auch Agamben Recht, wenn er das Modell der VR China als Gewinner dieser historische Phase sieht und prophezeit: “Sicher ist jedoch, dass das neue Regime den unmenschlichsten Aspekt des Kapitalismus mit dem grausamsten Aspekt des Staatskommunismus verbinden wird, indem es die extreme Entfremdung der Beziehungen zwischen den Menschen mit einer noch nie dagewesenen sozialen Kontrolle kombiniert.” „Endgames (1)“ weiterlesen

Winter des Grauens

Keine letzte Runde, kein bierschaumfeuchter Männerkuss nach Mitternacht. Kein Blick in alte müde Augen, in denen hinter all den nicht geweinten Tränen noch immer so etwas wie Sehnsucht aufblitzt, das Bedürfnis nach etwas, was den Namen Leben verdient, vielleicht sogar noch einmal Liebe. Keine trunken geteilten Schwüre, dass da noch was kommen muss. Keine trotzige Anekdote, keine Zärtlichkeit, die sich so manches Mal in fast hilflosen, kindlichen Gesten ausdrückt. Nicht einmal ein Tresen an dem man sich festhalten kann. Nur die kalte, nackte Stadt, das verordnete Überleben, der Suizid als letzte Handlungsoption der Rebellion.

Wo das Leben scheinbar alles wert ist, verliert es jeden Wert. Jeder fällt für sich ins weiß, schon vor Jahrzehnten aufgeschrieben verleiht der Pandemie Ausnahmezustand der Knastgesellschaft Kontur und Ausdruck, die ganze Stadt ein Hochsicherheitstrakt, überall Gefährder und Gefährdete, die Übergänge sind undefiniert und fließend, jeder kann alles sein, die Massenneurose der Postmoderne gebärt im Panikmodus ihre Massenpsychose und wie in jedem psychotischen Zustand ist die paranoide Seele Argumenten und Relativierungen nicht mehr zugänglich. Alles dreht sich, Schwindel dominiert, es kommen die schlaflosen Nächte, die Abstumpfung, das Primat der sich selbst unterfütternen Statistik. Funktionalität muss gewahrt werden, Tunnelblick, Regression, jemand muss uns retten, wir geben alles dafür. Alles was wir waren oder meinten zu sein. So einfach geht das. „Winter des Grauens“ weiterlesen

Sternenstaub

Die Leute haben ihre Sterne, für jeden sind sie anders. Für manch Reisenden sind die Sterne Führer. Für andere sind sie nichts anderes als kleine Lichter. Und wieder andere, für die Gelehrten, sind sie Probleme. Für meinen Geschäftsmann waren sie Gold. Aber alle diese Sterne schweigen. Du aber, du wirst Sterne haben wie niemand anderes …

Der kleine Prinz – Antoine de Saint-Exupéry

Sich fügen, sich beherrschen, unkenntlich werden, nicht aus klandestiner Absicht, sondern in Verleugnung. Kein Lächeln. Nirgendwo. Wer aber hat all die Menschen gezählt, denen ein unverhofftes Lächeln die Kraft gegeben hat, diesen Tag, nur diesen einen Tag noch weiterzuleben, den Strick beiseite zu legen, die Schlaftabletten in der Toilette herunter zu spülen. Wer zählt die Kinder, die in den Dörfern Afrikas an banalsten Krankheiten sterben, während hier die Virenbeherrschungsmaschine mit Milliarden gefüttert die neurotische Angst zu bannen verspricht. Wer zählt die Toten, die, bevor sie sich zu den Toten gelegt haben, einsam und verlassen in den Betten der Pflegeheime darbten, keine Hand zu halten, kein zärtlicher Finger, der die Tränen aus den Augenwinkeln wischt, keine letzten Worte des Abschieds, keine Versöhnung mit den Altlasten, die ein jeder von uns mit sich selbst herum schleppt. Nicht einmal der Pfarrer fand den Weg. Da war nur diese Kälte, die fast immer zum Schluß da ist und niemand reichte eine zweite Decke, kein warmer Körper, der noch einmal mit all der Liebe zu der nur ein Herz fähig ist, Trost spendete. Nur der Übergang, dieser Ort wo die Farben verschwinden, alles zurücktritt, man nur noch Erinnerung ist. Allein ins weiß geworfen. Verbuddelt wie ein Hund, die Kapelle auf dem Friedhof zugesperrt, keine Klagelieder, keine Reden, keine Würde. Wo es nur noch um das nackte Überleben geht, verliert selbst der Tod seinen Sinn. „Sternenstaub“ weiterlesen

Dancing in the rain – L 34

Lautstark schiebt sich die Menge durch die enge Gasse in Richtung Hackescher Markt,  vorneweg eine knappe Hundertschaft. Pünktlich hat der Nieselregen eingesetzt, die Nässe kriecht durch die Ritzen und Poren, macht die Beine klamm. Die Bordsteinschwalben haben unter einem Vorsprung Unterschlupf gesucht, zücken ihre Smartphones, Lächeln im Gesicht, mal was anderes als die immer gleichen Touristenvisagen. Aus den Bereitstellungsräumen strömen weitere Hundertschaften, Bundespolizei und andere Auswärtige. Der erste Fehler: Arroganz. Unterschätze nie einen angeschlagenen Gegner. 

Und während die Bullen noch ihr Spalier aufziehen, gehen schon die ersten Scheiben zu Bruch. Irgendwelche Läden mit irgendwelchen Kram, den keiner braucht, oder sich kaum einer leisten kann. Aber heute ist vieles nicht wie sonst, kein Zögern, keine Panik, schnellen Schrittes weiter. Da wo das Spalier aufhört ein weiterer militanter Kern, Pyros fliegen auf die Bullen, die ersten Steine. Die Demo biegt in Richtung Alex ab, immer mehr Feuerwerk und Rauchbomben, irgendwo klirren weitere Scheiben, die Bullen verlieren den Überblick. Neue Bullentrupps eilen herbei, kurzfristig flutet der hintere Teil der Demo zurück, noch mehr Steine und Pyros für die Bullen, die Leute fassen sich ein Herz, die Lücke wird zu gelaufen, die Bullen erleichtert, der Plan, stoppen vorne auf, arbeiten am Spalier. Zweiter Fehler: Mangelnde Flexibilität.  „Dancing in the rain – L 34“ weiterlesen